Die Nachricht, dass Gen manipulierte Organismen (GMO) in Produkten aus zertifizierter Biobaumwolle gefunden wurde, geht durch die gesamte Presse. Von Betrug ist die Rede und von Verdunklung. Auf welchen Fakten beruhen diese Aussagen und wie sind sie zu bewerten? Aufklärung ist angesagt.
Das System funktioniert
Der von der Financial Times Deutschland (FTD) zitierte „Baumwoll-Skandal“ beschreibt Unregelmäßigkeiten bei indischer Bio-Baumwolle.
Natürlich ist uns als IVN bewusst, dass man um Bioqualität zu garantieren, diese auch überprüfen muss. Der IVN hat seit Jahren Kontrollmechanismen und Managementsysteme zur Verifizierung der entsprechenden Daten entlang der textilen Kette eingerichtet, also Überprüfung von Baumwollfeld bis zum fertigen Textil. Diese Überprüfungs- und Zertifizierungsmaßnahmen beziehen sich sowohl auf den Bio-Anbau als auch auf Schadstoffrelevanzen.
Auch dem neueren Thema GMO-Verunreinigungen hat sich der Richtlinienausschuss des IVN gestellt. Nach Stand der Technik gibt es zwar eine Analytik in diesem Bereich. Sie ist allerdings noch nicht zufriedenstellend und damit nicht sehr praxistauglich. Denn eine sichere quantitative Erfassung und Bewertung von GMO bis zum fertigen Textil muss noch entwickelt werden. Und: wie viel Verunreinigung (z.B. durch Querkontamination) darf ein Biotextil enthalten?
Betrug macht keinen Sinn für Farmer und Hersteller
In der Presse ist zu lesen, dass Bio-Baumwolle erheblich mehr Geld einbringt, als konventionelle. Das würde einen Betrugsversuch erklären. Das gilt aber nicht überall. Besonders in Indien ist die Preisdifferenz zwischen Bio-Baumwolle und konventioneller Baumwolle derzeit nicht sehr groß. Wieso sollten sich Unternehmen sich also in Misskredit bringen?
Hinzu kommt, dass GMO-Saatgut um ein vielfaches teurer ist.
Die Erträge aus GMO-Saatgut sind zwar höher, dafür bedeutet der Bio-Anbau besonders auf dem Baumwollsektor große soziale und ökologische Vorteile für die Bauern und ihre Familien. Auf lange Sicht sichert der Bio-Anbau Existenzen. GMO-Baumwolle hingegen steht in dem Ruf, Farmer wegen Überschuldung in den Selbstmord zu treiben. Also macht auch für Farmer Betrug keinen Sinn.
Wie kommen GMOs in die Bio-Baumwolle?
Wenn auch unsinnig, so wäre ein Betrug nicht auszuschließen, aber nachweisbar in einem engmaschigen Kontrollsystem. Wahrscheinlicher ist also, dass Bio-Ware kontaminiert, also unabsichtlich durch Dritte mit GMO-Fasern verunreinigt, wurde. Das kommt schon beim Anbau auf dem Feld vor. Die Pflanzen werden zwar aus 100% GMO-freiem Saatgut gezogen. Durch Pollenflug werden sie dann aber, zumeist am Rand des Feldes, durch GMO-Pollen eines Nachbarfeldes befruchtet.
Auch bei Verarbeitung und Transport der Fasern können kleine Mengen GMO-Fasern in die Bio-Ernte gelangen. Obwohl Fahrzeuge und die Maschinen, die für das Entkernen oder Mischen der Fasern eingesetzt werden, gut gereinigt werden, bevor man sie für Bio-Ware benutzt, liegt auch hier eine mögliche Quelle für Verunreinigungen. In diesen Fällen würden sich auch GMO-Spuren per Test im Textil finden lassen. Was bedeutet das für den Verbraucher?
Es bedeutet jedenfalls nicht, dass man dem Kontrollsystem für Bio-Ware nicht vertrauen kann. Es bedeutet auch nicht, dass absichtlich betrogen wurde. Und es bedeutet auch keine Gesundheitsgefährdung, denn frei von Schadstoffen sind die Produkte durch den zertifizierten Bio-Anbau trotz der Verunreinigung mit GMO allemal.
Betrug oder Verunreinigung?
Um zu beweisen, ob ein Betrug im großen Stil vorliegt oder lediglich eine Kontamination, müsste ein Test bestimmen, welche Menge an GMO-Baumwolle sich anteilig in einem Textil befindet. Tests, die eine genaue Menge einer Verunreinigung angeben können, gibt es aber noch nicht. Es lässt sich lediglich feststellen, ob GMO-Fasern in der Baumwolle enthalten sind oder nicht. Übrigens: Die beiden im FTD-Artikel angeklagten Zertifizierer Control Union und Ecocert haben die Abstrafung durch die indische Kontrollbehörde APEDA fundiert dementiert. Das legt die Annahme nahe, dass es sich in diesem Fall eher um eine Verunreinigung handelt. Dennoch müssen Möglichkeiten gefunden werden, Bio-Baumwollprodukte schnell und preisgünstig auf exakte GMO-Anteile testen zu können.
Was ist zu tun?
Obwohl dem IVN konkrete Fälle nicht bekannt waren, so ist sich der Naturtextil-Verband der GMO-Problematik bei Baumwolle seit längerem bewusst. Der Verbraucher braucht Sicherheit beim Kauf von Naturtextilien. Das erfordert eine Überprüfung und Zertifizierung entlang der textilen Kette. Auch für GMO-Freiheit muss eine entsprechende Analytik entwickelt werden. Dieser Aufgabe wird sich der IVN als Vorreiter-Verband mit Hochdruck annehmen.