So war es - so wird es:
Marktdaten zur Entwicklung der Textilbranche
Berlin, 21. Januar 2015. Der Markt für nachhaltige Textilien und Bekleidung wächst. Im Rahmen der Berlin Fashion Week gibt der Internationale Verband der Naturtextilwirtschaft e. V. (IVN) zum ersten Mal eigene Marktdaten zur Umsatzentwicklung der Branche bekannt. Der Umsatz der deutschen Naturtextilwirtschaft ist demnach in den Jahren 2000 bis 2013 jährlich um durchschnittlich 5% gewachsen. Besonders erfolgreiche Jahre mit einem zweistelligen Umsatzwachstum waren 2006 und 2011.
Die Naturtextilbranche entwickelt sich im Vergleich zur Textil- und Bekleidungsbranche insgesamt deutlich besser. Während das Naturtextilsegment Zuwächse erzielte, sind die Umsätze im Textil- und Bekleidungshandel (minus 1,8%; Quelle: TextilWirtschaft) sowie in der Bekleidungsindustrie (minus 2%; Quelle: Statistisches Bundesamt) in den Jahren von 2000 bis 2013 rückläufig gewesen. „Die Zahlen belegen, dass es sich lohnt, Textilen und Lederwaren umweltfreundlich und sozialverträglich herzustellen – sowohl im Hinblick auf Umwelt und Gesellschaft, als auch hinsichtlich einer erfolgreichen Geschäftsentwicklung.
Das ist ein äußerst positives Zeichen für die gesamte Branche“, sagt IVN-Vorstand Jürgen Schweikardt im Rahmen des Pressegesprächs am 21. Januar 2015. Die Daten des IVN basieren auf der prozentuale Umsatzentwicklung der Verbandsmitglieder in den Jahren 2000 bis 2013 im Vergleich zum Vorjahr. Aktuell zählt der IVN knapp 120 Mitglieder. Während viele Berufsverbände über sinkende Mitgliederzahlen klagen, verzeichnet der IVN seit dem Jahr 2000 ein gleichmäßiges Mitgliederwachstum.
So war es
Im Rahmen der Berlin Fashion Week zeichnet der IVN nach, was sich seit dem Jahr 2000 ereignet hat. „In der Branche für nachhaltige Textilien hat sich ein Wandel vollzogen“, sagt IVN-Geschäftsstellenleiterin Heike Scheuer. Dazu haben zahlreiche Ereignisse und Marktentwicklungen beigetragen: Weitreichende Veränderungen in der Messelandschaft bewirken, dass sich die Branche kontinuierlich weiterentwickelt. Gesetze wie die EU-Öko-Verordnung, REACH und das Abkommen Accord werden erlassen. Skandale und Katastrophen werden medial in den Fokus gestellt. Und der Druck auf Textilunternehmen steigt – auch durch diverse Kampagnen von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie Greenpeace, Clean Clothes Campaign, PAN und PETA.
Ein großes Thema der vergangenen zehn Jahre war außerdem der Siegeldiskurs. 120 verschiedene Siegel von mehr als 100 Standardgebern kennzeichnen heute ökologischer und sozialverträglicher hergestellte Mode. Scheuer: „Auch wenn die Vielzahl an Standards zur Verwirrung beim Verbraucher führt, so trägt sie doch dazu bei, dass das Thema Nachhaltigkeit für Bekleidung mehr und mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit findet.“
Was ist weiterhin passiert? Große Textilhändler steigen ein und bieten nachhaltige Produkte an, ebenso die Sport- und Outdoorbranche. Nachhaltigkeit wird für Unternehmen Teil der Unternehmensstrategie, Marketinginstrument, Qualitäts- und Risikomanagement-Tool sowie Diversifizierungsmerkmal. 2014 war schließlich das Jahr der Politik. Entwicklungsminister Dr. Gerd Müller lanciert das Bündnis für nachhaltige Textilien. Die Opposition greift das Thema ebenfalls auf. Auch Forderungen nach gesetzlichen Regelungen werden lauter.
So wird es
Spannend ist nun die Frage, wie sich der Markt für nachhaltige Textilien in den kommenden Jahren entwickeln wird. Der IVN sieht sehr gute Chancen, dass Naturtextilien und Naturlederwaren zu einem Massenmarkt werden können, auch wenn sie einen hohen Anspruch an Umwelt- und Sozialverträglichkeit erfüllen. „Wenn Hersteller in der Lage sind, innovative Produkte anzubieten, die in Preis- und Modeaspekt einigermaßen mit konventionellen Produkten konkurrieren können, wird es gelingen, aus der Nische vollständig herauszutreten. Dass die Erfüllung dieser Bedingung keine Utopie ist, beweisen weltweit mehrere Tausend Unternehmen, die bereits GOTS zertifiziert sind oder zum großen Teil nachhaltig wirtschaften“, sagt Heike Scheuer.
Ganz ohne Hindernisse wird dieser Weg aber nicht zu gehen sein. Die Wertschöpfungskette für Textilien und Lederprodukte ist lang, weit verzweigt und internationalisiert. Eine Rückverfolgung der Produktionswege bis zum Rohstoff ist somit schwierig, sie ist aber zugleich Voraussetzung dafür, dass ein Unternehmen sicher sein kann, „saubere“ Produkte herzustellen. „Es kann sicher nicht die Rede davon sein, dass die Ausbeutung von Menschen für die Herstellung von Bekleidung bald ein Ende haben wird. Auch wenn es spürbare Veränderungen in einigen Ländern gibt, zieht der textile Wanderzirkus immer weiter“, sagt Heike Scheuer.
Weitere Herausforderungen sieht der IVN einerseits in der globalen Flächenknappheit und andererseits in der Endlichkeit des nichterneuerbaren Rohstoffs für Synthetikfasern. Zudem wird textiler Müll ein immer größeres Thema werden. Berge an textilem Sondermüll sind zu bewältigen, aber auch der Müll, der bei der Produktion von Textilien direkt entsteht oder die Kleinstpartikel von Synthetikfasern und Ausrüstungsrückständen, die durch das Waschen ins Grundwasser und von dort aus bis in die tiefe Arktis gelangen, werden große Probleme bereiten.
Fazit
Die Zeichen für den nachhaltigen Modemarkt stehen gut. Der IVN prognostiziert auch für die kommenden Jahre Wachstumsraten und den Zugewinn weiterer Marktanteile. „Die Ereignisse der vergangenen 15 Jahre und nach unseren Einschätzungen der bevorstehenden Entwicklungen stimmen uns optimistisch. Sie zeigen, dass die nachhaltige Modebranche in den kommenden Jahren große Wachstumspotenziale hat. Gleichzeitig werden Politik, Wirtschaft, Verbände und Institutionen vor hochkomplexe Aufgaben gestellt “, lautet das Fazit von Jürgen Schweikardt.
Päsentation_Branchenzahlen_Handout
Hier können Sie sich das Handout zur Präsentation der Branchenzahlen aus 2015 als PDF herunterladen.