Na, wie viele Jeans haben Sie im Kleiderschrank? Vermutlich einige – wie die meisten Menschen. Was es aber genau mit unserer Lieblingshose auf sich hat, wissen die wenigsten: Wie wird sie produziert? Wie schädlich ist ihre Herstellung für Mensch und Umwelt? Der Anbau der Baumwolle und ihre Weiterverarbeitung zur Jeans sind äußerst problematisch – und bergen Gefahren für die Natur, die Arbeiter und die Träger der trendigen Hose. Auf sein Lieblingsteil verzichten muss trotzdem niemand. Denn immer mehr Brands setzen auf biologisch angebaute, zertifizierte Baumwolle und alternative Färbe- und Bleaching‐Methoden.
Laser statt Chlorbleiche. Airbrush statt Sandblasting. Grüne Chemie statt giftigen Farben. Klingt wie aus einem Fremdwörterbuch, ist jedoch ein wichtiger Teil der Jeansproduktion und zeigt, dass die blaue Hose Licht-und Schattenseiten hat. Denn in der Jeansindustrie entstehen zusehends innovative Alternativen zur konventionellen Produktion. Das erklärte Ziel: Umwelt, Ressourcen und die Gesundheit der Fabrikarbeiter zu schonen.
Die neuen Ideen zeigen Wirkung – nachhaltige Marken sparen in ihrer Produktionskette Wasser und Energie, vermeiden giftige Chemikalien und bieten gleichzeitig Jeans an, die den modischen Ansprüchen von Trendsettern entsprechen. Coole Used--Effekte und Muster gibt es also auch ganz ohne Gift und Umweltverschmutzung.
Bilder von Blau gefärbten Flüssen und Berichte über kranke Fabrikarbeiter finden sich seit Jahren in der Berichterstattung über die Textil-- und insbesondere die Jeansbranche. Die konventionelle Jeansherstellung birgt Gefahren für Mensch und Umwelt. Fangen wir ganz vorne an: Denim wird in den meisten Fällen aus Baumwolle hergestellt.
Ein extrem hoher Wasserverbrauch – zwischen 10.000 und 30.000l für 1kg Baumwolle –, der Einsatz von Chemikalien und Gentechnik sowie Kinder-- und Zwangsarbeit dominieren den konventionellen Baumwollanbau. Muss das wirklich sein?
Nein, denn es gibt Alternativen: Die Nachfrage nach Bio--Baumwolle ist in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. Im Gegensatz zum konventionellen Anbau verbieten Biosiegel hier Gentechnik, Umweltgifte, Ausbeutung und Kinderarbeit.
Mechanische Methoden, pflanzliche Jauchen und Humus verhelfen den Bauern zu einem gesunden Boden und schädlingsfreien Pflanzen. Wasser wird durch intelligente Bewässerungsmethoden oder durch Anbau in niederschlagsreichen Regionen gespart – der Wasserverbrauch kann somit auf 7.000l für 1kg Baumwolle gesenkt werden.
Bis die fertige Jeans im Laden landet, durchläuft die Baumwolle noch etliche weitere Produktionsschritte, die häufig über die ganze Welt verteilt sind: Nach der Gewinnung der Rohfaser und der Entkörnung der Baumwolle wird diese zu Garn weiterverarbeitet und gefärbt. Anschließend wird der Denimstoff gewoben, zugeschnitten, vernäht, Accessoires wie Label und Reißverschluss angebracht, ausgerüstet – Bleichen, Färben, Effekte anbringen – und dann erst gelangt die Jeans in den Vertrieb.
Bei der konventionellen Jeansherstellung gefährdet vor allem der Produktionsschritt der Ausrüstung die Gesundheit der Arbeiter: Chlor und Kaliumpermanganat, die zum Bleichen verwendet werden, sind hochgiftig und vor allem flüchtig. Auch das Sandblasting kann nachweislich tödlich für die Arbeiter enden – die durchschnittliche Lebensdauer eines Fabrikarbeiters, der die giftigen Gase und Stäube ein bis zwei Jahre lang einatmet, beträgt lediglich zehn weitere Jahre. Nur selten wissen die Arbeiter, wie gefährlich ihr Job für sie ist.
Wer also eine nachhaltige Jeans produzieren möchte, achtet im Idealfall auf folgende Punkte.
Erstens, Transportwege: Die gesamte Produktionskette sollte entweder am Herstellungs- oder Vertriebsort angesiedelt sein.
Zweitens, zertifizierte Rohstoffe: Die Verwendung von zertifizierter Bio-Baumwolle.
Drittens, nachhaltige Weiterverarbeitung: Innovation und umweltschonende Verfahren ersetzen im Bereich des Färbens und Ausrüstens die üblichen Methoden. Viertens, eine vernünftige Bezahlung der Arbeiter auf den Plantagen und in den Fabriken.
Unter den Mitgliedern des IVN finden sich bereits viele Brands, die Alternativen zur konventionellen Jeansherstellung bieten; so etwa CharLe, HempAge, Hempro International, Hessnatur, Maas Natur und Wunderwerk. Die Jeans des Düsseldorfer Brands Wunderwerk sind bekannt für Dip‐Dye‐Färbungen und auffällige Batikmuster. Färbung und Ausrüstung werden unter genauester Kontrolle umweltschonend durchgeführt.
„Wir verwenden kein Kaliumpermanganat, kein Chlor“, erklärt Gründer Heiko Wunder, „und alle Effekte entstehen durch Handarbeit.“ Stonewashed-Effekte werden bei Wunderwerk mit Bimssteinen erzielt, unbedenkliche Farben werden mit klassischen Batikmethoden und speziellen Kaltfärbeverfahren aufgetragen.
Gebleicht wird mit Ozon – dabei wird Sauerstoff in speziellen Maschinen in Ozon umgewandelt und nachdem die Jeans durch die Bleiche die gewünschte Farbe angenommen hat, wieder zurückverwandelt.
Die Maschine lässt sich erst öffnen, wenn das Ozon wieder vollständig zu Sauerstoff geworden ist. So ist die Sicherheit der Arbeiter stets gewährleistet. Besonderen Wert legt man bei Wunderwerk zudem auf einen geringen Wasserverbrauch. Die Produktion einer Wunderwerk-Jeans benötigt im Schnitt 2 bis 4l Wasser, maximal aber 9l. Zum Vergleich: Die Produktion einer konventionellen Jeans verbraucht 90 bis 160l Wasser.
Bei Hempro International wird – wie der Name schon verrät – mit Hanf gearbeitet. Die Jeans, die die Marke für das englische Brand Braintree vertreibt, sind aus 55% Hanf und 45% Bio-Baumwolle gefertigt, das bevorzugte Mischungsverhältnis für Hanfjeans. Auf Waschungen und Bleichungen wird bewusst verzichtet.
Die Lokalität steht hier im Fokus, produziert werden die Jeans im Fernen Osten: „Bis zum Vertrieb finden bei uns alle Produktionsschritte in China statt. Die Chinesen sind Spezialisten für Hanf, da sie schon seit Jahrhunderten mit diesem Material arbeiten“, erläutert Anna-Lena Pink, Projektmanagerin und Designerin der Eigenmarke „The Hemp Line“.
„Wir arbeiten ausschließlich mit Zulieferern zusammen, die unsere Werte teilen und gewillt sind, diese Standards für ihre Mitarbeiter einzuhalten – deshalb ist Braintree Mitglied im Ethical Fashion Forum und im Fellowship 500. Sie unterstützen uns bei unserem Vorhaben, als Unternehmen so nachhaltig wie nur irgend möglich zu sein. So schaffen wir Vertrauen bei unseren Kunden.”
Hessnatur bietet auf dem Gebiet der Jeans ebenfalls innovative Ideen. Mit einer energie-- und ressourcenschonenden Laser-Technologie sowie mit Bleaching mit Sauerstoff werden Muster und Used-Looks kreiert, stets nach den Richtlinien von anspruchsvollen Textilsiegeln wie dem GOTS. Auf Sandstrahlen und Chemikalien wird vollständig verzichtet. Auch das Färben ist umweltschonend: Die blaue Farbe entsteht durch nachbehandelten und geklärten biologisch abbaubaren Indigo-Farbstoff.
Grundsätzlich können Verbraucher auf Textilsiegel wie IVN Best oder GOTS vertrauen. Sie garantieren jährliche Kontrollen aller beteiligten Produktionsstufen vom Anbau bis zum Vertrieb. Werden auch nur bei einem dieser Schritte die strengen Richtlinien nicht beachtet, wird das Endprodukt nicht zertifiziert. Der IVN begleitet Unternehmen zudem im Improvement-Prozess – hin zu einer nachhaltigen und umweltschonenden Produktionsweise. Dabei wird neben den restriktiven Maßnahmen, die schädliche Verfahren verbieten, auch der Kontakt zu Lieferanten hergestellt und weitere Beschaffungsmöglichkeiten geklärt.