Nachhaltigkeit bei Leder
Bio-Leder – Naturleder –
Pflanzenleder – Veganes Leder
Noch immer wünschen sich die meisten Konsumenten ihre Schuhe, Taschen und Gürtel aus echtem Leder. Das hat einen Grund: Leder ist einfach ein phantastisches Material. Es ist strapazierfähig, von Natur aus atmungsaktiv, robust, edel und enorm flexibel. Von hauchdünnen Handschuhen über grobe Lederstiefel und Möbelbezüge bis zum Dämm-Material reichen die Einsatzmöglichkeiten.
Leder steht aber auch zunehmend in der Kritik. Zu laut sind die Bilder von Tierquälerei, zu präsent die Kritik an giftigen Chemikalien und Produktionsbedingungen in Billiglohnländern. Doch wer genauer hinsieht, erkennt: Leder ist kein Problemstoff per se – im Gegenteil. Es kann ein Paradebeispiel für nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen sein. Vorausgesetzt, es wird verantwortungsvoll hergestellt.
Fließbandproduktion
Facetten der Nachhaltigkeit
Wie viele andere Produkte sind auch Lederwaren heute nur noch selten echte Handwerkskunst. Grund dafür sind der wachsende Konsum, die hohe weltweite Nachfrage und ein zunehmender Preisdruck entlang globaler Lieferketten. Leder ist längst ein Industrieprodukt – und Teil eines milliardenschweren, international vernetzten Marktes.
Allein in Deutschland belief sich laut Bundesverband der Schuh- und Lederwarenindustrie der Umsatz mit Schuhen und Lederwaren im Jahr 2023 auf rund 16,2 Milliarden Euro. Weltweit wurden im selben Jahr etwa 23,9 Milliarden Paar Schuhe produziert – ein Großteil davon in asiatischen Ländern wie China, Indien und Vietnam. (World Footwear Yearbook 2024)
Angesichts dieser Dimensionen stellt sich die Frage, wie nachhaltig Leder tatsächlich sein kann. Kriterien wie Ressourcenschutz, Sozialstandards, Schadstofffreiheit, Tierwohl, Abbaubarkeit und Natürlichkeit fallen dabei höchst unterschiedlich aus.
In der Naturtextil- und Naturlederbranche wird an diesen Themen jedoch schon seit Jahrzehnten gearbeitet – mit kurzen Lieferketten, klaren Umweltkriterien und unabhängigen Zertifizierungen. Für uns Pioniere in diesem Bereich ist unternehmerische Sorgfalt keine neue Entwicklung, sondern gelebte Überzeugung. Doch in der Breite der Industrie besteht weiterhin großer Nachholbedarf.
Tierwohlaspekte
Jedes Stück Leder beginnt als Tierhaut – und allein schon bei diesem ersten Schritt entscheidet sich, ob ein späteres Lederprodukt nachhaltig und ethisch vertretbar ist.
Denn die Herkunft der Rohhäute ist entscheidend. Die Spannweite reicht von Kuhhäuten aus industrieller Massentierhaltung bis hin zu exotischen Häuten illegal gejagter Wildtiere – etwa Reptilienarten, die teilweise sogar vom Aussterben bedroht sind. In vielen Fällen stammen die Tiere aus Ländern, in denen es kaum wirksame Tierschutzgesetze gibt. Dort werden Rinder nicht selten unter extremen Bedingungen transportiert: hunderte Kilometer ohne Wasser, Nahrung oder Schatten – bei Temperaturen weit über 30 Grad.
Doch es geht auch anders. Idealerweise stammt die Haut von einem Tier, das artgerecht gehalten wurde, und dessen Fleisch ohnehin für den menschlichen Verzehr bestimmt war.
Leder – sinnvolle Nutzung statt Verschwendung
Leder gilt oft als Symbol für Luxus, ist aber im Kern ein ganz anderer Rohstoff: Ein Nebenprodukt der Fleischindustrie. Bei Tieren wie Rindern, Schweinen oder Schafen wird das Leder in der Regel nicht gezielt erzeugt, sondern fällt bei der Fleischverarbeitung automatisch an. Die Haut würde ohne Weiterverarbeitung entsorgt – meist als Sondermüll, oft mit erheblichem Umweltaufwand. Wird sie hingegen zu Leder verarbeitet, entsteht ein langlebiges Material, das sich durch hohe Strapazierfähigkeit und Natürlichkeit auszeichnet.
Das ist nicht grundsätzlich so, denn es gibt Lederarten, die nicht als Nebenprodukt entstehen, sondern bei denen die Haut der Hauptgrund für die Züchtung oder Jagd ist. Dazu zählen zum Beispiel Krokodil‑, Schlangen- oder Straußenleder, die vor allem im Luxussegment eingesetzt werden. In solchen Fällen ist Leder kein Abfallprodukt, sondern der eigentliche wirtschaftliche Antrieb – mit entsprechenden ethischen und ökologischen Problemen.
Auch bei einigen Ziegen- oder Kalbfellen in bestimmten Weltregionen kann die Haut zum wertvolleren Gut werden als das Fleisch – was die Prioritäten bei der Tierhaltung verschiebt.
Wer Leder verantwortungsvoll nutzen möchte, muss daher genauer hinsehen. Verlässliche Orientierung bietet das Siegel iVN NATURLEDER zertifiziert. Es garantiert, dass die verwendeten Tierhäute ausschließlich als Nebenprodukt der Fleischgewinnung stammen – also nicht der Grund für die Tötung des Tieres waren. Transportwege für lebende Tiere sind sehr eingeschränkt.
So kann Leder – richtig hergestellt und klar deklariert – ein Beispiel für funktionierende Kreislaufwirtschaft sein: Ein vorhandener Rohstoff wird genutzt, statt weggeworfen.
Tierwohl, Verzicht und Verantwortung: Wie sinnvoll sind vegane Lederalternativen wirklich?
Die wachsende Sorge um das Wohlergehen von Tieren hat bei vielen Verbraucher*innen zu einem kritischen Blick auf tierische Produkte geführt – auch auf Leder. Besonders Veganerinnen und Veganer lehnen nicht nur Fleisch, sondern sämtliche tierischen Erzeugnisse ab. Stattdessen greifen sie zu veganen Lederersatzprodukten.
Doch hier lohnt ein differenzierter Blick: Die am häufigsten angebotenen Alternativen bestehen aus synthetischem Kunstleder, das in vielen Fällen PVC oder andere erdölbasierte Kunststoffe enthält. Während naturbelassenes, unbeschichtetes Leder biologisch abbaubar ist, zersetzt sich Kunstleder in der Umwelt kaum. Nach seiner Nutzung landet es häufig im Müll – oder schlimmer noch: in den Weltmeeren, wo es zusammen mit anderem Plastikmüll treibt und von Tieren wie Fischen oder Seevögeln verschluckt wird. Hinzu kommt: Kunstleder ist meist weniger atmungsaktiv, weniger langlebig und basiert auf nicht erneuerbaren Ressourcen.
Inzwischen gibt es zwar erste Entwicklungen hin zu biobasierten, abbaubaren Lederalternativen – etwa auf Basis von Pilzmyzel, Kaktus, Apfelresten oder Ananasfasern. Diese Materialien sind vielversprechend, befinden sich jedoch noch in der Erprobung oder sind nur in sehr begrenztem Umfang verfügbar. Ihre Umweltbilanz hängt stark von der Herstellung und der konkreten Rezeptur ab – ein einheitlicher Standard fehlt bislang.
Kurz gesagt: Synthetisches Kunstleder ist keine nachhaltige Alternative zu echtem Leder – und selbst pflanzliche Alternativen sind (noch) keine generelle Lösung.
Wer Tierwohl und Nachhaltigkeit ernst nimmt, hat eine wirksamere Möglichkeit, ein Zeichen zu setzen: „Gutes“ Leder kaufen – also Produkte, die nachweislich unter fairen, umweltschonenden und möglichst tierethischen Bedingungen hergestellt wurden. Verlässliche Zertifikate wie iVN NATURLEDER zertifiziert garantieren, dass die verwendeten Häute ausschließlich als Nebenprodukt der Fleischgewinnung stammen und nicht von bedrohten oder illegal gehandelten Tierarten. Zwar ist eine artgerechte Tierhaltung im Standard nicht verpflichtend, doch Herkunft, Transparenz und die Vermeidung unnötigen Tierleids spielen eine zentrale Rolle.
Natürlich? Nicht immer – Die unsichtbare Chemie im Leder
Viele gehen davon aus, dass echtes Leder automatisch ein reines Naturprodukt sei. Doch das stimmt nur bedingt. Zwar stammt die Rohhaut, aus der Leder hergestellt wird, tatsächlich von Tieren und ist somit ein natürliches Ausgangsmaterial – vergleichbar mit einem Stück Fleisch. Doch bis aus dieser Haut ein fertiges Lederprodukt wird, durchläuft sie bis zu 40 Verarbeitungsschritte. Und genau dort beginnt das Problem.
In der konventionellen Lederindustrie kommen beim Konservieren, Gerben, Färben und Veredeln der Häute eine Vielzahl von Chemikalien zum Einsatz – viele davon sind gesundheitsgefährdend oder umweltschädlich. Besonders verbreitet ist die sogenannte Chromgerbung: Schätzungen zufolge werden 80 bis 85 % des weltweit produzierten Leders mit Chrom(III)-Salzen gegerbt – weil das Verfahren schnell, günstig und industriell leicht steuerbar ist.
Doch Chrom ist nicht gleich Chrom. Das relativ harmlose Chrom(III) wird in der Industrie zwar häufig verwendet und ist in kleinen Mengen sogar ein für den menschlichen Körper essentielles Spurenelement. Problematisch wird es, wenn bei unsachgemäßer Verarbeitung oder falscher Lagerung hochgiftiges Chrom(VI) entsteht – eine Form, die als krebserregend, umweltgefährdend und stark allergieauslösend gilt. Besonders kritisch: Chrom(VI) kann eine Kontaktallergie auslösen, die nach heutigem Stand nicht heilbar ist. Bereits kleinste Mengen reichen bei sensibilisierten Personen aus, um Hautreizungen oder entzündliche Reaktionen hervorzurufen.
Diese Risiken sind nicht nur theoretisch. In Labortests wurde immer wieder festgestellt, dass Chrom(VI) aus Lederprodukten austreten und in die Raumluft übergehen kann. Für Verbraucher*innen ist das ein Gesundheitsrisiko, für die Menschen in den Produktionsländern oft eine ökologische Katastrophe – denn dort gelangen chromhaltige Rückstände häufig ungefiltert ins Grund- und Trinkwasser. Der dabei entstehende Klärschlamm gilt als Sondermüll und muss aufwendig entsorgt werden.
Primeri GmbH: Gerbstoff Valonea
Primeri GmbH: Gerbstoff Tara
Dabei gibt es längst Alternativen, wie beispielsweise auf Glukose basierte Zuckergerbstoffe. Bei der pflanzlichen Gerbung kommen natürliche Gerbstoffe wie Tara, Valonea, Olive oder Rhabarberwurzel zum Einsatz.
Als Valonea, ein sehr gerbstoffreiches Gerbmittel, bezeichnet man die Fruchtbecher und Früchte von in Kleinasien und auf dem südlichen Balkan wachsenden Eichenarten. Valonea liefert ein hochwertiges Leder von heller Farbe.
Tara ist ein Pflanzengerbstoff des kleinwüchsigenTara-Baumes, der vor allem in Peru, aber auch inBrasilien und Indien wächst. Für die Gerbstoffherstellungwerden die Fruchtschoten verwendet.
Pflanzengerbung ist zwar zeitaufwändiger und benötigt mehr Wasser, doch die entstehenden Abwässer sind biologisch abbaubar und deutlich umweltschonender.
Auch moderne synthetische Gerbverfahren ohne Chrom und giftige Schwermetalle gewinnen an Bedeutung – vor allem bei Herstellern, die auf Transparenz und Nachhaltigkeit setzen. Zudem setzen verantwortungsvolle Anbieter zunehmend auf unbeschichtetes Naturleder, das trotz kleiner Unregelmäßigkeiten als besonders hautfreundlich, atmungsaktiv und vollständig kompostierbar gilt.
Ein weiterer kritischer Punkt ist die synthetische Beschichtung vieler Lederprodukte. Um eine gleichmäßige Oberfläche zu erzeugen und die Ware unempfindlicher zu machen, wird Leder oft mit dünnen Kunststoffschichten aus Polyurethan (PU) oder Acryl versiegelt. Diese Beschichtungen verleihen zwar ein makelloses Aussehen und machen das Material pflegeleicht, doch sie mindern die Atmungsaktivität und führen dazu, dass das Leder nicht mehr biologisch abbaubar ist. Zudem enthalten solche Beschichtungen häufig mikroplastikrelevante Bestandteile, die sich im Laufe der Nutzung und Entsorgung in die Umwelt lösen können.
Leder ist also nicht automatisch ein sauberes Naturprodukt. Entscheidend ist, wie es hergestellt und behandelt wurde. Wer auf chromfreies, unbeschichtetes, zertifiziertes Leder setzt, schützt nicht nur die Umwelt und die Produzenten – sondern auch die eigene Gesundheit.
