Zutaten und Accessoires – was ist daran nachhaltig?
Zusammenhalten, Aufrüschen, Funktionieren –
Knöpfe, Reißverschluß & Co. unter Nachhaltigkeitsaspekten betrachtet.
Aber zuerst: Was sind eigentlich „Kurzwaren“ und warum heißen die so? Was man darunter versteht, ist allen, die selbst nähen, stricken oder basteln ein Begriff. Die kleinen Gegenstände, die man zum Schneidern braucht, wie Knöpfe, Schnallen, Nadeln, Zwirne, Gummiband, Reißverschlüsse oder Borten, kennt man aus der Kaufhaus-Abteilung gleichen Namens. Über die Wortherkunft findet man verschiedene Theorien. Eine davon besagt, dass „kurz“ früher als Abwandlung des lateinischen Wortes „corto“ im Sinne von „klein“ benutzt wurde und sich textilbranchenspezifisch für kleine Dinge manifestiert hat. Die etwas stimmigere Erklärung findet sich im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm: Es gab auch lange Waren, die mit der Elle gemessen wurden. Die kurzen Waren waren demnach Stückgut, das nicht nach seiner Länge (wie beispielsweise Stoff) bezahlt werden musste.
In der Textilindustrie werden Garne, Knöpfe und Co aber ohnehin als „Zutaten und Accessoires“ bezeichnet. Alle Bestandteile, die außer der „Textilen Fläche“, also dem Stoff noch zur Herstellung eines fertigen Kleidungsstückes gebraucht werden, sind hierunter zusammengefasst. Der Begriff umfasst noch einiges mehr, als das, was wir unter „Kurzwaren“ kennen, wie Futterstoffe, Einlagen, Polster, Vliese und so weiter.
CharLe Berlin: Bio-Gummiband
Nachhaltigkeit von Zutaten und Accessoires – Keine Nebensache
Uns treibt weniger die Frage nach der Namensgebung dieser Produktgruppe um, als die nach der Nachhaltigkeit. Zutaten und Accessoires bestehen aus vielen Rohstoffen, was eine Betrachtung nach Gesundheits- und Öko-Aspekten recht komplex macht. Metalle, Kunststoffe, Holz, Kautschuk, Nüsse, Holz, Leder, Horn, Knochen, Muscheln, Stein und Textilien werden verwendet, um nur einige zu nennen. In einem Kleidungsstück, das aus Bio-Baumwolle hergestellt und sauber gefärbt wurde, kann durchaus so manches umweltbelastende Accessoire vernäht sein.
Wie ist es also um die Nachhaltigkeit der kleinen, aber oft essentiell wichtigen Zutaten bestellt?
Zunächst einmal kann man in dieser Produktgruppe all die Nachhaltigkeitsaspekte betrachten und bewerten, die bei Textilien allgemein auch unter die Lupe genommen werden. Zutaten und Accessoires können Allergien auslösen, biologisch nicht abbaubar sein, von bedrohten Tierarten stammen, von ausgebeuteten Arbeitern hergestellt worden sein oder einfach nicht lange halten. Genauso können sie aber auch schadstofffrei sein, aus zertifizierten Naturrohstoffen gemacht, hochwertig oder in Deutschland fair produziert worden sein. Es ist gut zu wissen, dass die IVN Standards NATURTEXTIL BEST und Global Organic Textile Standard auch hier anspruchsvolle Anforderungen stellen.
iVN e.V.: Baby lutscht an einem Druckknopf
Gesundheit für Verbraucher
Gerade bei Textilien für Babys, Kinder und empfindliche Personen wie Allergiker spielt die Qualität der Zutaten und Accessoires eine zentrale Rolle. Knöpfe, Reißverschlüsse und andere Kleinteile kommen häufig in direkten Hautkontakt – insbesondere bei Kleidung, Bettwäsche oder Spielzeug – und können bei mangelhafter Qualität gesundheitliche Risiken bergen.
Metallteile etwa enthalten nicht selten Nickel oder Chrom, die allergische Reaktionen hervorrufen können. Holz wird oft mit bioziden Mitteln behandelt, die der Abwehr von Schädlingen dienen, aber auch gesundheitsschädlich sein können. Holz wird – genau wie Kunststof zudem häufig mit Farben behandelt, die problematische Inhaltsstoffe wie Schwermetalle oder Dispersionsfarbstoffe enthalten können. Hinzu kommen weitere kritische Substanzen wie Phthalate, die in bestimmten Kunststoffen vorkommen.
Die anerkannten Textilsiegel wie NATURTEXTIL BEST oder der Global Organic Textile Standard (GOTS) schließen derartige Stoffe konsequent aus. Sie fordern den Nachweis, dass sämtliche eingesetzten Zutaten frei von gesundheits- oder umweltgefährdenden Rückständen sind. Nur so kann gewährleistet werden, dass ein Kleidungsstück wirklich nachhaltig und gesundheitlich unbedenklich ist – von der Faser bis zum letzten Knopf.
deepmello: Metall-Reißverschluss
Biologische Abbaubarkeit
Konventionelle Kunststoffe sind ein großes Umweltproblem, da sie nur sehr langsam abgebaut werden. Gelangen sie in die Umwelt, werden sie zunächst durch mechanischen Abrieb und UV-Strahlung in winzige Mikropartikel zerlegt. Diese Mikroplastikpartikel stellen eine ernsthafte Bedrohung für Tiere dar, insbesondere in den Ozeanen.
Erdölbasierte Kunststoffe basieren auf nicht erneuerbaren Rohstoffen, deren weltweite Verfügbarkeit zunehmend schwindet. Zudem kommen bei ihrer Herstellung häufig umweltschädliche Chemikalien zum Einsatz. Eine mögliche Alternative könnten biologisch abbaubare Kunststoffe auf pflanzlicher oder tierischer Basis sein – vorausgesetzt, sie sind am Markt verfügbar und für Zutaten sowie modische Accessoires technisch geeignet.
Auch der Einsatz von Recyclingkunststoffen bei Knöpfen, Reißverschlüssen oder Verstärkungen bietet gewisse Vorteile, etwa den Verzicht auf neue fossile Rohstoffe. Allerdings bleiben die grundsätzlichen Probleme bestehen: mangelnde biologische Abbaubarkeit und potenziell bedenkliche Zusatzstoffe.
Aus Sicht des Internationalen Verbands der Naturtextilwirtschaft (iVN) sind Naturmaterialien daher nach wie vor die bessere Wahl, beispielsweise Knöpfe aus Steinnuss, Reißverschlüsse aus Metall, kunststofffreie Gummibänder.
Knopf Budke: Knöpfe aus nicht bedrohten Muscheln
Artenschutz und Raubbau
Aber auch der Einsatz von natürlichen Rohstoffen kann Nachhaltigkeits-Probleme mit sich bringen. Tropenhölzer werden eingesetzt, weil sie vergleichsweise hart, wasserresistent, unempfindlich gegen Pilze und preisgünstig sind. Wer den Regenwald schützen will, setzt Holz von einheimischen Bäumen ein. Zertifikate wie FSC und PEFC regeln zwar den schlimmsten Raubbau, werden inzwischen aber auch von Organisationen wie Rettet den Regenwald (www.regenwald.org) kritisiert. Auch vom Aussterben bedrohte Muscheln, Horn oder Bein von geschützten Pflanzen-und Tierarten kommen als Zutat oder modisches Accessoire zum Einsatz. Bei Textilien, die BEST oder GOTS zertifiziert sind, dürfen nur Zutaten und Accessoires verwendet werden, die nachweislich nicht von bedrohten Tier‑, Pflanzen- oder Holzarten stammen.
Wie sieht es für Veganer aus?
Man kann die Veganer-Bewegung sehen, wie man möchte, fest steht: Vegan ist Trend. Konsequente Veganer möchten auch in ihrer Kleidung kein Fitzelchen Tier haben. Und wenn wir schon von „konsequent“ reden, dann sollten auch Knöpfe, Schließen und Patches nicht aus Horn, Perlmutter, Leder oder anderen tierischen Produkten bestehen. Und selbst wenn man Knöpfe aus Holz, Steinnuss oder sogar Kunststoff mit der Strickjacke mit kauft – auch die können wiederum mit tierischen Wachsen oder Farbstoffen behandelt sein. Es gibt aber durchaus Anbieter, die echte vegane Zutaten und Accessoires anbieten und diesen Aspekt sehr ernst nehmen (www.knopf-budke.de).
Engel GmbH: Druck statt Etiketten
Nationale Gesetzgebungen
Auf nationaler Ebene bestehen in vielen Produktionsländern zwar Gesetze gegen Kinderarbeit – etwa in Indien, wo das Gesetz von 2016 Kinderarbeit unter 14 Jahren verbietet, jedoch Ausnahmen für familiäre Mitarbeit außerhalb der Schulzeit zulässt. In der Realität bleibt die Durchsetzung schwach, besonders in informellen Betrieben und Heimarbeitsstrukturen, die schwer kontrollierbar sind.
Ein zunehmend wichtiger Hebel entsteht durch Lieferkettengesetze in Abnehmerländern. In Deutschland ist seit Januar 2023 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Kraft. Es verpflichtet große Unternehmen, menschenrechtliche Risiken – darunter auch Kinderarbeit – entlang ihrer globalen Lieferketten zu identifizieren, zu bewerten und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Verstöße können mit Bußgeldern oder dem Ausschluss von öffentlichen Aufträgen sanktioniert werden.
Auf europäischer Ebene ist derzeit das EU-Lieferkettengesetz (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) in Vorbereitung. Es soll eine einheitliche Sorgfaltspflicht für Unternehmen in allen EU-Mitgliedsstaaten schaffen – auch für mittelgroße Firmen – und eine zivilrechtliche Haftung bei Missachtung ermöglichen. Ziel ist ein starker, verbindlicher Rahmen für faire und transparente Lieferketten.
Fragen kostet nichts
Herrlich bunt, wunderbar vielfältig und ebenso komplex kommen sie also daher, die kleinen Dinge, die aus Stoff Kleidung machen. Auch wenn sie den deutlich kleineren Teil textiler Produkte ausmachen, ist es nur konsequent auch sie auf den Nachhaltigkeits-Prüfstand zu stellen. Gesundheitsschädliche Bestandteile schließen die beiden Standards GOTS und NATURTEXTIL BEST aus und auch bei anderen Schadstoff-Standards wie ÖkoTex 100 oder TÜV werden Zutaten und Accessoires mit bewertet. Den Einsatz von Bestandteilen, die von bedrohten Arten stammen verbieten in Bezug auf Zutaten und Accessoires der GOTS und NATURTEXTIL BEST konsequent.
Wer auf bestimmte Aspekte Wert legt, kann beim Hersteller gezielt nachfragen und ist bei den zertifizierten Mitgliedern des iVN bestens aufgehoben.
