Interview mit Katharina Reuter vom BNW:
Der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (vormals UnternehmensGrün) setzt sich seit knapp 30 Jahren branchenübergreifend für ökologisch und sozial orientierte Unternehmen ein. Der Unternehmensverband verzeichnet ein starkes Wachstum und möchte im politischen Diskurs einen Kontrapunkt zu klassischen Industrieverbänden setzen. Geschäftsführerin Dr. Katharina Reuter spricht mit Heike Hess über die Gründe für die Umbenennung, über Politik, Nachhaltigkeit und Gemeinsamkeiten.
Heike Hess:
Katharina, die deutsche Nachhaltigkeits-Branche kennt „UnternehmensGrün“ seit vielen Jahren – warum hat sich der Verband in „Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft“ (BNW) umbenannt?
Katharina Reuter:
Wir hatten das Gefühl, dass wir einen stärker selbst erklärenden Namen brauchten, weil wir festgestellt haben, dass „UnternehmensGrün“ als Bundesverband der Grünen Wirtschaft unseren 360-Grad Blick auf die Nachhaltigkeit nicht umfassend widergespiegelt hat. Die vielen positiven Rückmeldungen und Reaktionen darauf zeigen uns, dass wir richtig gelegen haben. „Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft“ wird einfach viel besser verstanden – mit welchem Anspruch wir antreten, was wir machen und wer wir sein wollen. Als BNW wollen wir eben auch im politischen Berlin mitmischen und für alle erkennbar die politische Stimme der nachhaltigen Wirtschaft sein.
Heike Hess:
Ändert sich denn auch etwas an den Zielen und Inhalten Eurer Arbeit?
Katharina Reuter:
Nein, wir ändern unsere Ziele nicht. Unsere Satzung, in der wir den Schutz der Umwelt festgeschrieben haben, gilt weiterhin als unser hauptsächliches Verbandsziel. Wir setzen uns für die ökologische und soziale Transformation auch weiterhin ein mit diesem Mix aus Instrumenten: Bildungsprojekte, Aufklärungsarbeit und vor allem die Vernetzung der Unternehmen untereinander. Und wir tragen unsere gemeinsamen Positionen in die Politik. Der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft versteht sich als politische Stimme.
Heike Hess:
Apropos “politische Stimme für nachhaltige Unternehmen”: Wie war Deiner Meinung nach die Performance der europäischen Politik in den Zeiten der Pandemie bisher?
Katharina Reuter:
Bei der Frage nach der Performance der europäischen Politik, muss man sich zwei unterschiedliche Bereiche anschauen. Zum einen ist die Idee eines Green Deals – also den Klimaschutz und die Wirtschaft eng miteinander zu verweben – genau richtig und wegweisend. Hier wünschen wir uns eine ambitionierte Umsetzung. Wir sehen aber auch, wenn wir auf die GAP Reform (Gemeinsamen Agrarpolitik der EU) schauen, die Herausforderungen. Liebgewonnene Subventionen, an denen die Agrarindustrie hängt, sind nicht einfach abzuschaffen. An diesem Punkt gerät beispielsweise der Green Deal mit den einzelnen Bausteinen der europäischen Politik in Konflikt.
Was die Pandemie anbelangt, ist es sicherlich richtig, dass kurzfristige und unbürokratische Hilfen zur Verfügung gestellt werden. Jetzt müssen wir aber alles daran setzen, dass wir die Konjunkturmaßnahmen mit einem Build Forward verbinden. Wir müssen jede Konjunkturmaßnahmen eben auch mit Klimaschutz verknüpfen.
Heike Hess:
Im September 2021 ist Bundestagswahl, der Wahlkampf ist in vollem Gang. Welche Forderungen hat der BNW konkret an die zukünftige Regierung?
Katharina Reuter:
Zum einen fordern wir den massiven und deutlich schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien. Wir wissen inzwischen, dass wir neue Verbündete in der Zementindustrie, in der Stahlindustrie und in der Chemieindustrie haben. Denn wenn wir diese Zweige dekarbonisieren wollen, brauchen wir grünen Wasserstoff und dafür brauchen wir grüne Energie.
Dann fordern wir das Anheben des CO2-Preises. Wir wollen dass er schon im nächsten Jahr auf 50 Euro steigt und danach soll er deutlich stärker ansteigen. Wir wissen einfach, dass je höher der CO2 Preis ist, desto stärker wird auch im Klimaschutz in den Unternehmen investiert. Daher ist das eine weitere ganz wichtige Forderung, die an das ganze Thema „wahre Preise“ anknüpft, was bei uns sehr wichtig ist. Wir brauchen einen wahren Preis für CO2, damit wir tatsächlich auch zu einem fairen Markt für Klimaschutz kommen.
Und wir fordern beispielsweise einen Circular Economy Action Plan für Deutschland, also ein Aktionsprogramm für die Kreislaufwirtschaft. Was dann die Maßnahmen im Green Deal, die auf europäischer Ebene vorgesehen sind, flankiert.
Heike Hess:
Der Entwurf des Lieferkettengesetzes befindet sich ja derzeit im Beratungsprozess im Bundestag. Wie bewertest Du diese Entwicklung?
Katharina Reuter:
Wir begrüßen zunächst, dass es hoffentlich noch in dieser Legislaturperiode den Beschluss für das Lieferkettengesetz durch den Bundestag geben wird. Das ist ein Riesenschritt. Wir wissen aber auch von den Vorreiter-Unternehmen, die schon für Transparenz in ihrer Lieferkette gesorgt haben, die Kosten dafür bereits tragen und ein Monitoring der Risiken in ihren Lieferketten umsetzen, dass dieser erste Schritt noch nicht für ein Level-Playing-Field reicht. Jetzt nicht nur die ganzen großen Unternehmen in die Pflicht zu nehmen genügt nicht. Man muss auch schauen, dass auch mittelständische Unternehmen zu ihrer unternehmerischen Sorgfaltspflicht stehen. Denn natürlich darf diese unternehmerische Verantwortung nicht am Werkstor haltmachen, sondern muss für die ganze Lieferkette gelten. Und deswegen setzen wir uns für ein ambitioniertes Gesetz ein, inklusive Haftungsregelung. Haftung ist im Übrigen auch ein wichtiger Punkt, unter Berücksichtigung von Umweltschäden. Es geht also nicht in diesen Punkt nicht nur darum, die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten zu stärken, sondern eben auch die ökologischen Risiken im Blick zu haben.
Heike Hess:
Der BNW vertritt nachhaltige Unternehmen über alle Branchen hinweg, der IVN gezielt die Textil- und Lederbranche. Kannst Du Dir gemeinsame Schnittstellen Eures Verbandes mit dem IVN vorstellen?
Katharina Reuter:
Zuerst einmal: Wir freuen uns total, dass es Euch gibt und sehen die wichtige Arbeit, die Ihr leistet. Beispielsweise die Standardsetzung und ‑weiterentwicklung leistet für den ganzen Bereich der Ethical Fashion einen wichtigen Beitrag. Denn nur wenn es für die Kundinnen und Kunden vertrauenswürdige Labels oder Siegel gibt, für die Ihr ja sorgt, kommt die Transformation des textilen Sektors voran und deswegen Tausend Dank für Eure Arbeit.
Und wir sehen tatsächlich viele Schnittstellen, beispielsweise beim Thema Lieferkettenmanagement, aber auch beim Thema Wahre Preise. Und ich glaube, dass wir ja zwei starke Netzwerke sind und immer wieder auch Themen über Bande spielen können, um so unsere Kräfte zu bündeln.
Heike Hess:
Vielen Dank für das Interview, Katharina!
© Foto: Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V.
Abdruck des Textes honorarfrei gegen Beleg.