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Vegane Mode differenziert betrachten

Der Inter­na­tio­nale Verband der Natur­tex­til­wirt­schaft e.V. (IVN) fordert auf, vegane Mode genauer zu hinter­fragen. Nur auf tieri­sche Fasern beim Kleider­kauf zu verzichten, ist zu kurz gedacht. Worauf Verbrau­cher achten sollten… 

Berlin, 22. März 2016. In Deutsch­land ernähren sich derzeit etwas über 900.000 Menschen vegan. Viele sehen die Antwort auf Probleme wie Tierquä­lerei, ungesunde, fleisch­las­tige Ernäh­rung und Umwelt­ri­siken durch Tierzucht darin, keine tieri­schen Produkte mehr zu essen. Dass Verbrau­cher, nachdem sie den Kühlschrank vegan füllen, auch in ihren Kleider­schrank schauen, ist nur konsequent.

Die Nachfrage nach veganer Mode ist merklich gestiegen. Doch was genau ist vegane Mode eigent­lich? Oberfläch­lich betrachtet, könnten das all jene Texti­lien, Schuhe und Acces­soires sein, die aus Fasern nicht tieri­schen Ursprungs herge­stellt werden. Also pflanz­liche Fasern wie Baumwolle, Leinen, Hanf oder Nessel, aber auch Synthetik- oder Regene­rat­fa­sern.

Der Markt­an­teil dieser beiden Faser­gruppen liegt auf dem Weltmarkt derzeit bei über 90%2. Wenn man alle Produkte aus diesen Fasern als vegan ansieht, dann findet man als Konsu­ment eine sehr breite Auswahl in den Laden­re­galen; der Verzicht auf Wolle, Seide oder Edelhaare stellt keine sonder­lich große Heraus­for­de­rung dar. Genauso leicht fällt es umgekehrt Modemarken, Produkte aus sogenannten Man-made-fibers und Pflan­zen­fa­sern als vegan zu bewerben. Doch so einfach ist es nicht. Denn der Einsatz von nicht tieri­schen Fasern alleine macht eben nicht automa­tisch ein veganes Textil aus.

Veganismus impli­ziert eben nicht nur den Verzicht auf tieri­sche Produkte jeder Art, sondern auch die Befür­wor­tung von umfas­senden Tierrechten. Kleidung, die aus Baumwolle besteht, ist genauso wenig konse­quent vegan wie es Schuhe aus Kunst­leder sind. Viele Kompo­nenten unserer zweiten Haut sind tieri­schen Ursprungs oder können bei ihrer Herstel­lung Tierleid mit sich bringen“

verdeut­licht Heike Scheuer, Geschäfts­stel­len­lei­terin des IVN. Nicht nur auf den Rohstoff, sondern auch auf die Kompo­nenten kommt es an Farb- und Hilfs­mittel werden noch immer in Tierver­su­chen getestet. Klebstoffe, die vor allem bei der Schuh­pro­duk­tion einge­setzt werden, bestehen sehr oft aus Inhalts­stoffen, die tieri­schen Ursprungs sind oder zumin­dest ebenfalls an Tieren getestet wurden.

Kunst­stoffe bestehen häufig aus Roh-Öl, dessen Förde­rung zu Lasten der Unter­was­ser­welt geht und dessen Verknap­pung für das Sterben tausender Vögel sorgt. Hinzu kommt die Proble­matik von Kunst­stoff­ab­fällen und Mikro­plastik in der Umwelt und den Weltmeeren, die sich schließ­lich in den Mägen und Blutkreis­läufen von Tieren wiederfinden.
Zutaten und Acces­soires können ebenfalls aus tieri­schen Materia­lien bestehen. Das Etikett an der Jeans ist vielleicht aus Leder, die Knöpfe an der Bluse aus Horn oder die Schmuck-Schließe aus Perlmutt. Auch der konven­tio­nelle Anbau von Pflan­zen­fa­sern wie Baumwolle stellt eine Bedro­hung der Tierwelt dar. Tausende von Nutzin­sekten sterben durch den Einsatz von gentech­nisch verän­dertem Saatgut oder synthe­ti­schen Insektiziden.

Nur wer sämtliche Bestand­teile und Herstel­lungs­schritte seines Produkts kennt, kann streng genommen mit Fug und Recht behaupten, dass er ein veganes Kleidungs­stück oder vegane Schuhe und Acces­soires herstellt oder verkauft. Pflan­zen­fa­sern müssten aus kontrol­liert biolo­gi­schem Anbau stammen, einge­setzte Chemi­ka­lien müssen in der Zusam­men­set­zung bekannt sein und dahin gehend getestet, dass sie nicht fisch­giftig sind, wenn sie ins Abwasser gelangen. Es muss klar sein, woraus Knöpfe, Aufnäher, Etiketten oder Schnür­senkel bestehen und welche Klebstoffe einge­setzt wurden“,

fasst Otto Kersten, IVN-Vorstand und Presse- und Marke­ting­ver­ant­wort­li­cher des Verbands, zusammen.  Eine gesetz­liche Defini­tion gibt es nicht Die Umstände in der Textil­in­dus­trie müssen sich ändern, damit Tiere für unsere Kleidung, Schuhe und Acces­soires nicht zu leiden haben. Verbrau­cher sind mit ihrem Wunsch, tierfreie Produkte zu tragen, aber eher allein gelassen. Siegel wie „Vegan Society England“ oder „PeTA – approved vegan“ zeigen dem Verbrau­cher an, dass die ausge­zeich­neten Produkte frei von tieri­schen Inhalts­stoffen sind. Die Bezeich­nung „vegan“ ist jedoch nicht gesetz­lich definiert und/oder geschützt. Die Kontrollen sind nicht trans­pa­rent. Ob ein Produkt über den Rohstoff hinaus wirklich vegan ist, ist nicht sichergestellt.
Der Verzicht auf tieri­sche Fasern heißt, sich Alter­na­tiven zu suchen.

Bei vielen Produkten kann man gut auf pflanz­liche Fasern zurück­greifen, bei anderen jedoch nicht. Wärmende Winter­ja­cken beispiels­weise lassen sich nicht gut mit Natur­fa­sern umsetzen, spätes­tens bei der Wattie­rung ist meistens der Griff zur Synthe­tik­faser notwendig. Auch bei Leder­pro­dukten wird es schwierig, in ausrei­chender Menge Ersatz aus natür­li­chen Rohstoffen herzu­stellen. Synthe­tik­fa­sern und Kunst­leder sind in der Regel aber nicht biolo­gisch abbaubar und werden größten­teils aus nicht erneu­er­baren Rohstoffen wie Erdöl und Erdgas herge­stellt. Aber nicht nur die Herstel­lung von Kunst­fa­sern, sondern auch der konven­tio­nelle Anbau von Pflan­zen­fa­sern geht stark zu Lasten der Umwelt.

Der IVN empfiehlt Wir halten den reinen Verzicht auf tieri­sche Fasern für zu kurz gesprungen und empfehlen Verbrau­chern, auch die Alter­na­tiven nicht tieri­schen Ursprungs kritisch zu hinter­fragen. Konse­quenter Veganismus bedeutet ursprüng­lich, jedwede Schädi­gung der Tierwelt zu vermeiden, auch die durch negative Umwelt­ein­flüsse. Produkte aktiv nach Tierschutz­aspekten zu hinter­fragen, sorgt für Aufmerk­sam­keit und unter­stützt dieje­nigen Hersteller, die alles richtig machen.
Man sollte sich auch kritisch fragen, ob es dem Tierwohl nicht viel mehr nutzt, „gute“ Wolle zu kaufen, anstatt katego­risch auf Wolle zu verzichten. Der IVN rät deshalb, sich für Texti­lien zu entscheiden, die „IVN BEST“ gesie­gelt sind.

Diese Zerti­fi­kate verbieten Tierquä­lerei, regeln eine artge­rechte Tierhal­tung, den Trans­port und die Schlach­tung, schließen den Einsatz von solchen Chemi­ka­lien aus, die durch Tierver­suche getestet sind und schreiben eine ökolo­gi­sche Landwirt­schaft vor. 
Veganer haben dann die Wahl, sich inner­halb dieser zerti­fi­zierten, „guten“ Produkte für die nicht tieri­schen Varianten zu entscheiden. Wie die Lebens­mittel im Kühlschrank, sind dann auch die Kleider im Schrank gleich beides: bio und vegan.

Pressemitteilung

Internationaler Verband der
Naturtextilwirtschaft e.V.

 

 

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