Nachhaltige Verpackung - Weniger ist mehr

Berlin, 04.02.2020

Wir produ­zieren und vertreiben hochwer­tige Natur­textil- und Leder­waren, die von „A“ bis „Z“ nachhaltig herge­stellt sind und verpa­cken sie dann in Polybeutel aus konven­tio­nellem Kunst­stoff. Diese Polybags belasten bei der Herstel­lung und ihrer Entsor­gung die Umwelt. Mehr und mehr Händler beschweren sich über die Plastik­flut und viele Brands möchten aktuell die resis­tenten Beutel weglassen oder durch ein sinnvol­leres Material ersetzen. Aber was ist tatsäch­lich sinnvoll, ist abbaubar, aus regene­ra­tiven Rohstoffen, recycelbar oder quali­tativ vergleichbar?  Und wie schaut die Ökobi­lanz von Pappe und Papier im Vergleich aus? Und wer bietet alter­na­tive Verpa­ckungen an? Mit diesen Fragen befasst sich der IVN seit Sommer letzten Jahres in seiner Initia­tive für Nachhal­tiges Verpacken. 

Es geht um mehr, als ledig­lich darum, keine Polybeutel oder andere Kunst­stoff­ver­pa­ckungen mehr einzu­setzen. Es gibt – ähnlich wie bei Texti­lien – durchaus Kunst­stoffe, die weniger bedenk­lich sind wie  Bio-Polymere oder recyceltes Material. Und andere Materia­lien wie Papier, Pappe, Metall oder Holz machen teilweise auch Probleme bei der Entsor­gung. Außerdem genügen sie den funktio­nellen Ansprü­chen an Verpa­ckungs­ma­te­ria­lien für bestimmte Produkt­gruppen nicht. In vielen Fällen wäre es sinnvoll und auch möglich, Verpa­ckung einfach wegzu­lassen. In anderen Fällen kann man einen nachhal­ti­geren Rohstoff verwenden, wie z.B. Papier statt Plastik. Oder man bleibt bei dem gewohnten Rohstoff und beschafft ihn in nachhal­ti­gerer Qualität – abbau­bare Kunst­stoff-Folien aus nachwach­senden Rohstoffen. Welche Maßnahmen die sinnvollsten sind, hängt vom Unter­nehmen und den jewei­ligen Produkten ab. Um entscheiden zu können, welche Schritte auf dem Weg zur nachhal­tigen Verpa­ckung die richtigen sind, ist es nötig zu wissen, welche Krite­rien Verpa­ckungen überhaupt erfüllen sollten und welche Produkte in Punkto Gesamt-Umwelt­bi­lanz tatsäch­lich am besten abschneiden. Ebenso wichtig ist es, einen Überblick zu haben, welche Liefe­ranten überhaupt Alter­na­tiven anbieten und wie gut dieses Angebot zu den eigenen Ansprü­chen passt.

Von abbaubar bis kompostierbar

Eines der größten Umwelt­pro­bleme unserer Zeit ist die Vermül­lung der Ozeane und Landschaften durch Kunst­stoff­ab­fälle. Werden erdöl­ba­sierte Kunst­stoffe nicht richtig entsorgt und landen in der Umwelt, verbleiben sie dort für Hunderte von Jahren, weil sie nur extrem langsam abgebaut werden. Der WWF schätzt, dass 2015 über ein Drittel der weltweit benutzten Plastik­ver­pa­ckungen das „Verwer­tungs­system verlassen“ haben – d. h., sie sind unkon­trol­liert in die Umwelt gelangt. *01

Das Thema Mikro­plastik ist ebenfalls in aller Munde und die Bedro­hung durch die kleinen Teilchen ist uns allen bewusst. Es entsteht aus eben jenen Kunst­stoff­ab­fällen, die achtlos in der Natur wegge­worfen werden. Ein Großteil des globalen Plastik­mülls ist dem Verpa­ckungs­wahn geschuldet.

Eine der wichtigsten Forde­rungen an Verpa­ckungen sollte also sein, dass sie – wenn sie in die Umwelt gelangt – abbaubar ist, also verrottet. Der nächst­lie­gende Gedanke ist in diesem Zusam­men­hang natür­lich, keine Kunst­stoff­ver­pa­ckung mehr einzu­setzen, denn andere Materia­lien wie Papier, Holz oder Textil sind ja abbaubar. Für manche Produkte eignen sich aber vor allem Polybags am besten als Verpa­ckung. Wollpro­dukte müssen beispiels­weise motten­si­cher verpackt werden, empfind­liche Mode soll beim Trans­port spritz­wasser- und schmutz­ge­schützt sein und Produkte, die verpackt im Handel angeboten werden, brauchen eine trans­pa­rente Verpa­ckung als Einblick für die Kunden. Bestimmte gewünschte Funktionen eines Verpa­ckungs­pro­duktes „verlangen“ nach Kunst­stoffen. Plastik also einfach durch andere Materia­lien zu ersetzen, funktio­niert leider nicht ohne Weiteres.

Das ruft die nächste Lösungs-Idee auf den Plan, nämlich Bio-Kunst­stoffe einzu­setzen. „Bio“ kann in Zusam­men­hang mit Kunst­stoff zweierlei Bedeu­tungen haben: Entweder ist bioba­siert gemeint, also herge­stellt aus nachwach­senden Rohstoffen z.B. Stärke­basis oder biolo­gisch abbaubar. Man muss aller­dings wissen, dass nicht alle Kunst­stoffe aus nachwach­senden Rohstoffen auch biolo­gisch abbaubar sind. Somit kommen nur bestimmte bioba­sierte Polybags als Ersatz in Frage, wenn man Mikro­plastik vermeiden will.

Abbau­bare Kunst­stoffe sind auch nur in diesem einen Punkt sinnvoll – werden sie achtlos in die Umwelt geworfen, verur­sa­chen sie in der Regel keine Schäden. Wenn kompos­tier­bare Kunst­stoffe im Hausmüll entsorgt werden – wohin? In die Biotonne (bzw. auf den Kompost), in den gelben Sack oder gar in den Restmüll? In den gelben Sack gehören sie nicht, denn sie können nicht, wie andere Kunst­stoffe im dualen System recycelt, also einge­schmolzen werden und müssen, gelangen sie in diese Verwer­tungs­schiene, thermisch verwertet werden, also verbrannt.  Wenn auf einer Tüte „biolo­gisch abbaubar“ steht, bedeutet das nicht, dass sie auf dem Hauskom­post verrottet.  Bei der Kompos­tie­rung zerfallen viele biolo­gisch abbau­bare Kunst­stoffe nämlich nur in indus­tri­ellen Kompos­tie­rungs­an­lagen mit ausrei­chenden Tempe­ra­turen und Luftfeuchte. Meistens entstehen aus Bio-Kunst­stoffen auch keine wertvollen Boden­be­stand­teile, also Humus, sondern sie werden nur zu Kohlen­di­oxid (CO2) und Wasser abgebaut. Die braune Tonne ist also der einzig sinnvolle Ort zur Entsor­gung abbau­barer Kunst­stoff-Verpa­ckungen. Proble­ma­tisch ist hierbei, dass es keine einheit­liche Kennzeich­nung gibt, die dem Verbrau­cher sagt, welches Plastik er nun genau wegwirft und zweitens haben wir noch keine ausrei­chende Logistik in den Verwer­tungs­an­lagen, um diese Kunst­stoffe automa­ti­siert dem effizi­en­testen Verwer­tungs­pro­zess zuzuführen. Und wie motiviert Verbrau­cher sind, sich mit der richtigen Entsor­gung ausein­an­der­zu­setzen ist noch eine ganz andere Frage. 

Erdöl: nein danke

Als Natur­tex­til­ver­band liegt der Wunsch, Erdöl basierte Kunst­stoffe zu vermeiden auf der Hand – bei Texti­lien, Leder­waren und auch bei Verpa­ckungen. So viele weitere Erdöl­quellen auch immer aufgetan werden – in nicht allzu ferner Zukunft werden die Vorräte aufge­braucht sein und der Rohstoff ist nicht nachwach­send. Auch für das Ressour­cen­pro­blem wäre der Einsatz von anderen, regene­ra­tiven Materia­lien – Papier, Textil, Holz etc. – eine Lösungs­mög­lich­keit, auch hier wäre Bio-Kunst­stoff inter­es­sant, wenn andere Materia­lien nicht in Frage kommen. Aber die „Wenns“ und „Abers“ bleiben. Quali­ta­tive Unzuläng­lich­keiten oder schwie­rige Entsor­gung machen Papier oder Biokunst­stoffe zur nicht ganz optimalen Lösung, zumal die Haptik Polybeu­teln aus Stärke gewöh­nungs­be­dürftig ist und ihre Haltbar­keit und UV-Resis­tenz eher unbefriedigend.

Denken wir also über Polybeutel aus recyceltem Kunst­stoff nach. Die wären zwar nicht abbaubar, aber man würde kein Erdöl verbrau­chen für ihre Herstel­lung. Das neue Verpa­ckungs­ge­setz schreibt für die öffent­li­chen Verwerter bei Kunst­stoff­ver­pa­ckungen eine Recycling-Quote von 58% vor, bis 2022 soll sie auf 63% gestei­gert werden. Wer recycelte Folien­ta­schen einsetzt, handelt also ganz im Sinne des Verpackungsgesetzes.

Recycelbar?

Recycelte Produkte haben eine etwas gerin­gere Festig­keit, als solche aus Neuma­te­rial, weil sie verun­rei­nigt sind, beispiels­weise durch Druck­farben und Klebstoffe.  Polybeutel sind nicht endlos kreis­lauf­fähig, sie lassen sich nicht beliebig oft recyceln. Dabei sind einige Kunst­stoffe besser geeignet zum häufigen Recycling, als andere, Verbund­ma­te­rial ist beson­ders ungeeignet. Bei der Herstel­lung einer Recycling­folie muss immer ein gewisser Anteil an Neuma­te­rial einge­setzt werden.  

Weitere Nachhal­tig­keits­pa­ra­meter

Nachdem wir über Abbau­bar­keit, den Einsatz von nachwach­senden Rohstoffen, Recycling­fä­hig­keit und Mikro­plas­tik­frei­heit gespro­chen haben, sind noch längst nicht alle Nachhal­tig­keits­aspekte in Zusam­men­hang mit Verpa­ckung benannt. Wie beim Faser­anbau auch, wären beispiels­weise der Bioanbau ohne Pesti­zide (Anbau von Stärke­lie­fe­ranten) oder die nachhal­tige Forst­wirt­schaft (bei Papier) zu nennen. Lebens­mit­tel­kon­kur­renz bei Stärke­pro­dukten oder das Abholzen von Natur­schutz­ge­bieten müsste bei der Rohstoff­wahl auch bedacht werden. Die Herstel­lung ab der Rohstoff­ge­win­nung ist mit dem Einsatz von Chemi­ka­lien, Wasser und Energie verbunden. Die Frage ist, ob Verpa­ckungs­lie­fe­ranten hierauf achten und Auskunft geben können. Und über Sozial­stan­dards haben wir noch gar nicht nachgedacht…

Strategie-Mix

Es wird also deutlich, dass es nicht ganz einfach zu entscheiden ist, welche Strategie man einschlägt, wenn man seine Produkte möglichst nachhaltig verpa­cken oder umver­pa­cken möchte. REDUCEDas Reduzieren und Vermeiden von Verpa­ckung generell ist natür­lich die nachhal­tigste Maßnahme, aller­dings in vielen Fällen nicht möglich.  REPLACE: Das Ersetzen petro­che­mi­scher und persis­tenter Rohstoffe bedeutet im Grunde den Verzicht auf Plastik­ver­pa­ckungen. Papier schneidet als Alter­na­tive laut Umwelt­bun­desamt in der Ökobi­lanz gar nicht erheb­lich besser ab, als Kunst­stoff, Biopo­ly­mere haben auch ihre Tücken, wie vorher beschrieben. Um den einen Rohstoff sinnvoll durch einen anderen ersetzen zu können brauchen wir wissen­schaft­lich Bewer­tungen zu Ökobi­lanzen und Nachhal­tig­keits­re­le­vanz der einzelnen Materia­lien. RECYCLE: Im geschlos­senen Stoff­kreis­lauf zu denken bedeutet einer­seits Recycling­kunst­stoffe und ‑papiere einzu­setzen, anderer­seits die Recycling­fä­hig­keit von Verpa­ckungs­ma­te­ria­lien zu steigern. REUSE: Das Einführen von Mehrweg­sys­temen ist noch eine logis­ti­sche Heraus­for­de­rung. Realis­tisch betrachtet sind zu wenige Verbrau­cher bereit, sich an solchen Systemen zu betei­ligen. Dennoch ist diese Strategie eine sehr nachhal­tige. RECIR­CU­LATE: „Von der Wiege bis zur Bahre“ ist mit dem Einsatz von abbau­baren Materia­lien verknüpft, die weder durch Anbau, Produk­tion noch Entsor­gung die Umwelt belasten.  Um diese Strategie breit einsetzen zu können, braucht es noch einiges an Weiter­ent­wick­lung – in quali­ta­tiver Hinsicht und auch was die öffent­liche Verwer­tungs­lo­gistik betrifft.

Wie geht es weiter?

Der blaue Engel oder FSC bewerten den Rohstoff­ein­satz, es gibt Siegel für die Kompos­tier­bar­keit und das Symbol für das duale System, das eine Recycling­taug­lich­keit attes­tiert. Es gibt kein ganzheit­li­ches Siegel für Verpa­ckungs­pro­dukte, das unseren Ansprü­chen gemäß bewertet. Wir können also nicht einfach zerti­fi­zierte Verpa­ckungen fordern.

Die Anfor­de­rungen, die man stellen müsste, um von einer konse­quent nachhal­tigen Verpa­ckung reden zu können, sind thema­tisch ähnlich breit gefächert wie bei Texti­lien oder Leder­waren. Vom Einsatz von regene­ra­tiven Rohstoffen über das Einsparen von Energie und Wasser bis hin zur Kompos­tier­bar­keit und Sozial­stan­dards müssten viele Parameter bedacht werden. Es gilt also zunächst zu formu­lieren, was wir denn als eine ausrei­chend nachhal­tige Verpa­ckung betrachten und mögli­cher­weise vorschreiben wollen. Dazu ist ein tiefgrei­fender Vergleich einzelner Rohstoffe und Materia­lien notwendig.

Im zweiten Schritt müsste dann eine Verfüg­bar­keit dieser Materia­lien sicher­ge­stellt werden. Ein Verzeichnis mit derzeit verfüg­baren Liefe­ranten von alter­na­tiven Verpa­ckungen wäre ebenso hilfreich, wie ein Unter­neh­mens­zu­sam­men­schluss für die Beschaf­fung. Wenn es tatsäch­lich kein Angebot für die „perfekte“ Verpa­ckung gibt, gilt es eine solche zu entwi­ckeln. Lobby­ar­beit für eine politi­sche Weichen­stel­lung ist ein nächster Schritt. Über die gesetz­li­chen Anfor­de­rungen den Recycling-Anteil betref­fend hinaus, könnte eine logis­ti­sche Umstel­lung der kommu­nalen Entsorger bewirken, dass auch bioba­sierte Kunst­stoffe effektiv verwertet werden könnten. 

Fazit

Nachhal­tige Verpa­ckungen sind genauso komplex wie wichtig. Gemeinsam haben wir noch einige Hausauf­gaben zu erledigen. Verpa­ckung hat aufgrund der schieren Menge große Auswir­kungen auf die Umwelt weltweit.  Richtige Entschei­dungen sind gefragt und Priori­täten, welches Umwelt­pro­blem man als erstes abstellen will, sind festzu­legen. Wissen schaffen, Priori­täten setzen, alter­na­tive Materia­lien entwi­ckeln und die Beschaf­fung von guten Verpa­ckungen zu erleich­tern, sind die Arbeits­auf­träge für die IVN Initia­tive für nachhal­tige Verpa­ckung und somit für die Unter­nehmen. Schritt Eins wäre als kurzfris­tige Lösung die Unter­nehmen dabei zu unter­stützen „nachhal­ti­gere“ Verpa­ckungen einzu­setzen, die jetzt schon angeboten werden. Schritt Zwei ist es, „optimale“ Verpa­ckungen zu definieren, zu entwi­ckeln und verfügbar zu machen. Je mehr Unter­nehmen sich an dieser Initia­tive der nachhal­tigen Textil- und Leder­wirt­schaft betei­ligen, desto mehr Gewicht bekommt sie und desto größeren Einfluss können wir auf den Verpa­ckungs­markt nehmen.

 

*01:       siehe https://www.wwf.de/ – Fakten­blatt Mikro­plastik