Den Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft (IVN) erreichen vermehrt Anfragen von Verbrauchern und Publikumsmedien zu Schadstoffen in Textilien und Lederprodukten. Dies ist eine Reaktion auf voneinander abweichende Schadstoffgrenzwerte, die verschiedene Fachzeitschriften als Bewertungskriterien bei Produkttests aufgestellt haben. Für den Verbraucher stellt sich die Frage, welche Grenzwerte und Standards maßgeblich sind.
In letzter Zeit haben Testmagazine vermehrt eigene Grenzwerte für schädliche Chemikalien definiert. Diese stimmen in der Regel nicht mit den Anforderungen unabhängiger und international anerkannter Standards überein und liegen teilweise unter der Nachweisgrenze, dem niedrigsten Wert, der im Labortest nachgewiesen werden kann. Solche Bewertungsparameter führen zu einer Desorientierung des Verbrauchers:
Einerseits kann bereits die Lagerzeit von Produkten beim Händler dazu führen, dass solche willkürlich gesetzten Grenzwerte bei Tests überschritten werden. Andererseits ist nicht anzunehmen und erst recht nicht nachzuweisen, dass eine solch geringe Menge einer Substanz irgendwelche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt hat. Dadurch verschiebt sich der Fokus von tatsächlichen Gefährdungen hin zur reinen Spekulation.
Um weltweit anerkannte Standards zu etablieren, die dem Verbraucher Transparenz und Orientierung bieten, stellt sich der IVN seit 25 Jahren der Diskussion mit Wissenschaft, Industrie und Verbrauchern. Die beiden verbandseigenen Siegel „NATURTEXTIL IVN zertifiziert BEST“ und „NATURLEDER IVN zertifiziert“ stellen eine umweltschonende, sozialverträgliche und verbraucherfreundliche Herstellung von Textilien und Lederwaren sicher.
Darüber hinaus vergibt der IVN auch den „Global Organic Textile Standard“ (GOTS), an dem er federführend mit entwickelt hat. Mit diesen Standardisierungsinitiativen möchte der Verband die soziale und ökologische Verantwortung der Textilbranche fördern. Der IVN warnt davor, dass willkürliche Bewertungsmethoden dem Transparenzgedanken und der Glaubwürdigkeit zuwiderlaufen und Verbraucher irritieren.
Wie viel Wissen und Erfahrung notwendig sind, um konsistente und in der Praxis einsetzbare Grenzwerte zu entwickeln, zeigt das Beispiel einer Substanzgruppe: Die halogenorganischen Verbindungen (Adsorbierbare organisch gebundene Halogene = AOX). „Adsorbierbar“ bedeutet, dass Organismen diese Substanz aufnehmen und einlagern können. „Halogene“ sind Fluor, Chlor, Brom oder Jod. Einige dieser Substanzen gehören zu den besonders gefährlichen Umweltschadstoffen und stehen im Verdacht, Krebs erzeugen zu können.
Die Stoffgruppe der AOX umfasst neben gefährlichen aber auch harmlose Substanzen, die in der Natur vorkommen. In Tests wird AOX als Summenparameter und nicht differenziert nach einzelnen Substanzen erfasst. Diese Tests dienen als Indikator für Chlorchemikalien beispielsweise bei Gewässeruntersuchungen. Werden in einem AOX Test erhöhte Werte festgestellt, muss eine differenzierte Analyse erfolgen. Die Aussagekraft über AOX als grundsätzliches Verbot ist in Fachkreisen umstritten, da der AOX Test sowohl unschädliche Verbindungen als auch hochgiftige Dioxine erfasst.
Insgesamt ist der summarische AOX-Wert wenig aussagekräftig und hilft nicht beim Produktvergleich. Der AOX-Summenwert wird aber von einigen Fachzeitschriften in willkürlicher Strenge festgesetzt und als umweltschädlich bewertet. Qualitativ hochwertige und vorbildlich nachhaltige Produkte werden so mitunter als gefährlich stigmatisiert.
Exakt definierte Richtlinien sind nach Überzeugung des IVN ein sehr gutes Instrument, um nachhaltig Verbesserungen zu erzielen. Auf einen Blick sichtbare Kennzeichnungen zertifizierter Textil- und Lederprodukte, helfen dem Verbraucher sich schnell zu orientieren.
Die drei IVN-Qualitätszeichen sind Prozessstandards. Sie definieren also nicht nur Schadstoff-Rückstände am fertigen Produkt, sondern stellen für jeden einzelnen Fertigungsschritt Regeln auf, nach denen ein Textil bzw. Leder produziert werden darf. Nur wenn jeder Betrieb in der Herstellungskette nach den IVN Richtlinien zertifiziert ist, darf das Endprodukt mit den Qualitätszeichen gekennzeichnet werden. Für die Textil- und Lederindustrie sind die Qualitätszeichen des IVN derzeit die strengsten und umfassendsten Standards. Die Herausforderung, diese Spitzenposition sicher zu stellen und gleichzeitig die technische Umsetzbarkeit der Anforderungen zu ermöglichen, ist Ziel und Herausforderung für den Standardgeber.