Die Kritik der norwegischen Verbraucherschutzbehörde (NCA) am HIGG Index sowie öffentliche Vorwürfe wegen irreführender Behauptungen von Unternehmen die mit dem Tool werben, hat dazu geführt, dass die Sustainable Apparel Coalition (SAC) das Programm nun aussetzt und auf den Prüfstand stellt. Das begrüßt der Internationale Verband der Naturtextilwirtschaft (IVN) sehr.
Berlin, 14.07.2022 Der HIGG Materials Sustainability Index wurde von der Sustainable Apparel Coalition (SAC) entwickelt und soll die Umweltauswirkungen von Textilprodukten messen und transparent machen. Er wird bisher als „das“ Transparenzinstrument und Life Cycle Assessment (LCA)-Tool vieler großer Marken genutzt und soll teilweise in die EU-Nachhaltigkeitsgesetzgebung einfließen.
Verglichen mit den Nachhaltigkeits-Ansprüchen des IVN weist der HIGG Index deutliche Mängel und ein gewisses Greenwashing-Potential auf. In seiner Rolle als Inhaber der als höchst anspruchsvoll und glaubwürdig bewerteten Standards NATURTEXTIL und NATURLEDER sieht der Verband es als nicht ganzheitlich an, Nachhaltigkeit lediglich an Materialströmen zu messen. Wie auch in vielen anderen LCA-Tools bewertet der HIGG Index beispielsweise die Umweltauswirkungen der Produkte nicht ausreichend.
Jetzt hat auch die norwegische Verbraucherschutzbehörde (NCA) den HIGG MSI stark kritisiert. Die Norweger stört unter anderem, dass die ausgewerteten Daten nur einen Teil der Produktionskette berücksichtigen. Darüber hinaus sind die materialbezogen unterschiedlichen Systemgrenzen Anlass für die Kritik. Nicht die Umweltauswirkungen einzelner Produkte würden bewertet, sondern es würden durchschnittliche Daten zu den Auswirkungen bestimmter Materialien zugrunde gelegt. Weitgehend unberücksichtigt bleiben auch die Erneuerbarkeit eingesetzter Rohstoffe und die biologische Abbaubarkeit der fertigen Produkte.
Dies alles führt dazu, dass Nachhaltigkeitsaussagen auf einem Produkt, die auf diesem Index basieren, irreführend sind. So sieht es die NCA und so sieht es auch der IVN. Gerade im Bereich der Naturtextilien verzerren fehlender Einbezug von Erneuerbarkeit der Rohstoffe und biologischer Abbaubarkeit die Nachhaltigkeits-Benchmark eines Produktes ganz massiv.
Der IVN begrüßt die Verwarnung der NCA an die SAC. Die norwegische Verbraucherschutzbehörde teilte dem Unternehmenszusammenschluss kürzlich mit, dass sie rechtlich haftbar gemacht werden könne, wenn der HIGG MSI als Marketingargument gegenüber Verbrauchern verwendet würde. Die SAC kündigte als Reaktion darauf nun zumindest an, ihr Programm auszusetzen und eine unabhängige Untersuchung der Methodik des HIGG MSI zu veranlassen.
Der IVN wird die Thematik rund um Ökobilanzierung von Textil- und Lederprodukten und den HIGG MSI weiter beobachten und weiter darüber berichten.