Worum geht es?
Weltweit leben über 1 Milliarde Menschen mit Behinderungen, 80 Prozent davon in Entwicklungs- und Schwellenländern. Die Beeinträchtigungen, mit denen diese Menschen umzugehen haben, sind vielfältig. Sie reichen von körperlichen Einschränkungen über Seh- und Hörbehinderungen bis hin zu psychischen Erkrankungen. Dabei haben Menschen mit Behinderungen selten Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt, zu Gesundheits- und sozialen Sicherungssystemen. Die Folgen sind Armut und Hunger. Das Gravierende: Armut und Behinderung bedingen sich gegenseitig. So ist etwa die Hälfte aller Behinderungen direkt auf Armut zurückzuführen und wäre vermeidbar. Inklusion stellt hierfür eine mögliche Lösung dar, von der alle profitieren können. Die zentrale Idee ist, dass Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam in allen Lebensbereichen selbstbestimmt zusammenleben und arbeiten. Inklusion bedeutet, dass die Gesellschaft dazu aufgerufen ist, Strukturen zu schaffen, in denen Menschen mit Behinderung sich genauso einbringen und zurechtfinden können wie Menschen ohne Beeinträchtigung. Ziel von Inklusion ist es dabei, dass Menschen mit Behinderung selbstbestimmt, gleichberechtig und uneingeschränkt am sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben teilhaben können. Die Inklusion von Menschen mit Behinderung hat nachweislich positive ökonomische und soziale Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, sie führt zu einer besseren Arbeitsatmosphäre sowie zur Steigerung von Vielfalt und Innovation.
Was wird gemacht?
Gemeinsam mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und dem Global Organic Textile Standard (GOTS) möchten wir dem etwas entgegensetzen. Wir möchten dazu beitragen, dass Inklusion von Menschen mit Behinderung in Ausbildung und Beschäftigung entlang der gesamten textilen Wertschöpfungskette gelingt. Aus diesem Grund wird derzeit ein Leitfaden zur Inklusion von Menschen mit Behinderung in die textile Lieferkette verfasst, welcher Textilunternehmen jeder Größe an die Hand nehmen soll, um einen zielorientierten Einstieg und die erfolgreiche Umsetzung von Inklusion in Betrieben zu unterstützen. Sobald die Situation vor Ort es zulässt, soll es außerdem ein Pilotprojet mit Betrieben und Ausbildungsstätten geben. Ziel des Projektes ist es, Inklusion in indischen Produktionsstätten zu verankern. Gemeinsam mit Expert*Innen können lokale Produzierende den Status Quo in ihren Betrieben definieren, Sensibilisierungsmaßnahmen durchführen oder beispielsweise ein Buddy-System aufbauen, bei welchem Beschäftigte mit Behinderung einen Paten an die Seite gestellt bekommen.
Das Pilotprojekt
Im vergangenen Jahr hat der IVN in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und dem GOTS einen Leitfaden zur Inklusion von Menschen mit Behinderung in die textile Lieferkette veröffentlicht. Im ersten Halbjahr 2022 wurde nun die gemeinnützige Organisation Leonard Cheshire in Indien damit beauftragt, diesen in die praktische Umsetzung zu bringen.
Basierend auf den Leitfäden wurden Workshops und Einzelberatung mit GOTS-zertifizierten Unternehmen in Tiruppur, Südindien erfolgreich durchgeführt. Nach einer ersten Evaluierung der Situation in der Textilbranche vor Ort, wurden in Einzelberatungen konkrete Bedürfnisse und Erwartungen der Unternehmen evaluiert. Beide Module waren sehr erfolgreich. In acht zertifizierten Betrieben wurden so bereits erste Schritte hin zu einem inklusiveren Arbeitsplatz in Textilunternehmen umgesetzt. In Zusammenarbeit mit Skill Council for Persons with Disabilities wurden drei Trainingsbereiche identifiziert.
Sechs Personen mit Behinderung wurden im Umgang mit der Nähmaschine, in der Verpackung oder bei der Kontrolle ausgebildet und konnten bereits ein GOTS-zertifizierte Betriebe vermittelt werden.