Bio-Leder – Naturleder – Pflanzenleder – Veganes Leder
Berlin, 15.02.2019
Noch immer wünschen sich die meisten Konsumenten ihre Schuhe, Taschen und Gürtel aus echtem Leder. Das hat einen Grund: Leder ist einfach ein phantastisches Material. Es ist strapazierfähig, von Natur aus atmungsaktiv, robust, edel und enorm flexibel. Von hauchdünnen Handschuhen über grobe Lederstiefel und Möbelbezüge bis zum Dämm-Material reichen die Einsatzmöglichkeiten.
Facetten der Nachhaltigkeit
Wie viele andere Produkte auch sind Lederwaren heute nur noch selten echte Handwerkskunst. Das ist dem gestiegenen Konsum, also der großen Nachfrage und dem globalen Preisdruck geschuldet. Leder ist ein Industrieprodukt, hinter denen ein milliardenschweres Geschäft mit globalen Dimensionen steckt. Der Gesamtumsatz mit Schuhen und Lederwaren belief sich im Jahr 2016 allein in Deutschland auf 14,07 Milliarden Euroi. Rund 24 Milliarden Paar Schuhe werden beispielsweise jährlich weltweit produziert. Dabei stellt sich die Frage, wie nachhaltig Leder wirklich sein kann. Ressourcenschutz, Sozialstandards, Schadstofffreiheit, Tierwohl, Abbaubarkeit und Natürlichkeit sind Attribute, die sehr unterschiedlich ausfallen können. Unternehmerische Sorgfalt walten zu lassen ist für Unternehmen der Naturtextil- und ‑lederbranche im Grunde genommen nichts Neues. Wir sind uns der ökologischen und sozialen Risiken entlang der Lieferkette durchaus bewusst und steuern seit über 30 Jahren dagegen – mit kurzen Wegen, möglichst kleinem Lieferantenkreis, Nachhaltigkeitserfahrung, Produktprüfungen und vor allem mit einer intrinsischen Überzeugung.
Leder ist ein Abfallprodukt der Fleischindustrie
Schon beim Rohstoff kann man sich für Umweltschutz und vor allem für Tierschutz entscheiden. Das Tier, von dem die Roh-Haut stammt, macht den Unterschied. Und die Bandbreite ist groß. Häute von illegal gejagten und vom Aussterben bedrohten Reptilien werden ebenso verarbeitet, wie die Kuhhaut, die Hunderte Kilometer ohne Wasser und Futter durch sengende Hitze zum Schlachthof gekarrt wird. Idealerweise stammen die Roh-Häute von glücklichen Rindern, die ihre Haut eigentlich als Abfallprodukt für ein saftiges Steak lassen musste. So entsteht keine zusätzliche Umweltbelastung und die Tiere sind artgerecht aufgewachsen.
Lederverzicht ist nicht nachhaltig
Bilder von Tierquälereien bei Rindern und Schafen, die den fehlenden Tierschutz bei der Aufzucht und Schlachtung von Tieren in Asien und Südamerika aufzeigen, haben bei einem wachsenden Teil der Verbraucher zu ethischen Bedenken geführt. Veganer verzichten nicht nur auf Fleisch, sie lehnen sämtliche tierischen Produkte ab, auch Leder und bevorzugen Leder-Ersatzprodukte. Leider ist die häufig angebotene vegane Alternative zu Leder häufig ein PVC-haltiges Kunstleder. Während unbeschichtetes Leder verrottet, gelangt Kunstleder nach seiner Nutzung zum Teil in die Weltmeere, wo es zusammen mit anderem Plastikmüll auf der Meeresoberfläche treibt und von Tieren, wie Fischen und Vögeln, gefressen wird. Es ist weniger atmungsaktiv und wird unter Einsatz von nicht erneuerbaren Rohstoffen hergestellt. Synthetisches Kunstleder ist also keine nachhaltige Alternative zu Leder. Außerdem sollte man sich fragen, was man mit dem Verzicht auf Leder tatsächlich erreicht. Es gibt einen effektiveren Weg gegenüber der Lederindustrie zu demonstrieren, dass einem Tiere wichtig sind: Man kann „gutes“ Leder kaufen, das mit Zertifikaten ausgezeichnet ist, die Tierquälerei verbieten, eine artgerechte Tierhaltung, den Transport und die Schlachtung regeln und eine ökologische Landwirtschaft vorschreiben.
Das geht auf keine Kuhhaut
Wer meint, dass echtes Leder grundsätzlich ein reines Naturprodukt ist liegt falsch, jedenfalls meistens. Die Roh-Haut, aus dem Leder entsteht, ist zwar ebenso Natur wie ein Stück Fleisch, aber sie hat noch bis zu 40 Arbeitsschritte bis zum fertigen Leder vor sich. Beim Konservieren, Gerben und Färben der Häute werden in der konventionellen Lederindustrie jedoch viele, teilweise umweltbelastende und gesundheitsschädliche Chemikalien eingesetzt, die im Leder verbleiben und ausdünsten können. Über 80% des weltweit produzierten Leders wird heute mit Chrom gegerbt, ein Schwermetall, das krank machen kann. Besonders gefährlich ist das sechswertige Chrom (Chrom-VI), es ist hoch giftig, allergisierend und als krebserregend eingestuft. Eine einmal erworbenen Chrom-Allergie kann nicht geheilt werden. Das dreiwertige Chrom (Chrom-III) ist in geringen Mengen ungefährlich und sogar ein lebenswichtiges Spurenelement für den menschlichen Körper. Zu hohe Aufnahmemengen von Chrom-III schädigen jedoch auch Leber, Nieren und Kreislauf. Auch wenn Leder mit Chrom-III gegerbt wurde, kann durch ein unsachgemäßes Verfahren Chrom-VI entstehen. Ein Gesundheits-Risiko für den Verbraucher und eine Katastrophe für das Grund- und Trinkwasser in den Produktionsländern. Chromgerbung wird eingesetzt, weil sie erheblich günstiger und schneller von Statten geht, als eine Gerbung mit synthetischen oder pflanzlichen Gerbstoffen. Pflanzengerbung ist zwar zeitaufwändiger und benötigt mehr Wasser als die Chromgerbung, dafür belasten die Abwässer jedoch die Umwelt deutlich weniger, weil die Gerbstoffe vollständig abbaubar sind. Chromhaltige Klärschlämme müssen beispielsweise als Sondermüll entsorgt werden.
Der Gesundheit zuliebe
Viele weitere Schadstoffe kommen bei der konventionellen Lederherstellung zum Einsatz. Formaldehyd kann Allergien, Haut‑, Atemwegs- oder Augenreizungen verursachen und gilt als krebserregend. Schwermetalle werden im Gerbprozess und bei der Färbung eingesetzt. Sie sind zunächst giftig, auch Chrom gehört zu dieser Gruppe. Ist man Schwermetallen dauerhaft auch in kleinen Mengen ausgesetzt, kann das zu Schädigungen des Immun- und Nervensystems führen und Allergien und Krebs verursachen. Die Liste ließe sich noch weiter fortsetzen. Die Schadstoffe sind besonders gefährlich für die Menschen, die das Leder herstellen, aber auch für Verbraucher können aus Leder ausgedünstete Schadstoffe belastend sein. Bei Labortests wird bei konventionellen Lederprodukten immer wieder festgestellt, dass sie krank machende Stoffe an die Raumluft abgeben, sprich ausdünsten. Man kann diese Chemikalien in der Produktion stark reduzieren oder ganz auf sie verzichten. Kunststoff-Beschichtungen sorgen für makellose, pflegeleichte und unempfindliche Produkte – leider eine Eigenschaft, auf die Konsumenten nicht gerne verzichten möchten. Durch diese hauchdünne Schicht geht aber die Atmungsaktivität des Leders verloren und damit auch die Hautfreundlichkeit. Wer eine gewisse Patina oder Unregelmäßigkeit an Ledern akzeptiert oder sie sogar schätzt, sollte ein chromfreies und natürliches Lederprodukt, sprich unbeschichtetes Leder wählen. Leder verrottet in der Natur nur, wenn es sich um ein unbeschichtetes Naturprodukt handelt.
Fotos: Pololo OHG/Gerbstoffe Valonea & Tara
Als Valonea, ein sehr gerbstoffreiches Gerbmittel, bezeichnet man die Fruchtbecher und Früchte von in Kleinasien und auf dem südlichen Balkan wachsenden Eichenarten. Valonea liefert ein hochwertiges Leder von heller Farbe. |
Tara ist ein Pflanzengerbstoff des kleinwüchsigenTara-Baumes, der vor allem in Peru, aber auch inBrasilien und Indien wächst. Für die Gerbstoffherstellungwerden die Fruchtschoten verwendet. |
Sozialstandards – auch bei Leder ein Thema
Die meisten Tierhäute werden in Südamerika oder Asien zu Leder gegerbt. In vielen Gerbereien dort ist das mit erschreckenden sozialen Bedingungen gleich zu setzen. Kinderarbeit ist weit verbreitet, die Arbeiter setzen ihren Körper den giftigen Substanzen ohne Schutzkleidung direkt aus. Ohne Schutzmaske atmen sie giftige Dämpfe ein oder stehen ohne Gummistiefel oder Arbeitsschutz direkt in der Gerbbrühe. Die Löhne sind in Niedriglohn-Ländern alles andere als existenzsichernd. In europäischen Gerbereien sind zumindest Arbeitsschutz und Umweltauflagen sehr streng.
Nachhaltiges Leder erkennen
Anders als bei Lebensmitteln gibt es bei Leder kaum Vorschriften, wie man Leder bezeichnen darf. „Bio-“ oder „Ökoleder“ muss weder von Tieren aus biologischer Tierhaltung stammen, noch ohne den Einsatz von Chemikalien hergestellt worden sein. „Faires“ Leder muss keine Sozialstandards nachweisen oder dem Tierschutz Genüge tun. Umso wichtiger ist es, auf glaubwürdige Siegel zu achten. Einige wenige garantieren auf unterschiedlichem Anspruchsniveau, dass Lederprodukte nicht gesundheitsbelastend oder umweltschädlich sind und dass bei ihrer Herstellung Sozialstandards eingehalten wurden. Hierbei ist das Qualitätszeichen NATURLEDER IVN Zertifiziert besonders anspruchsvoll, glaubwürdig und konsequent. Das attestierte kürzlich das Portal siegelklarheit.de der Bundesregierung und bewertete NATUR-LEDER mit „Sehr gute Wahl“iii. NATURLEDER IVN Zertifiziert hat diese Auszeichnung als bisher einziges Leder-Siegel erhalten, zudem werden dem Standard von siegelklarheit.de „besonders hohe Anforderungen in den Bereichen Glaubwürdigkeit, Umwelt und Soziales“ attestiert. Weitere Siegel, die Lederprodukte in einzelnen Stufen der Produktion bewerten können, sind der Blaue Engel, bluesign, Öko-Tex Leder, das Nordic Ecolabel, das EU-Ecolabel und das Siegel der Leather Working Group. Keines dieser Siegel verbietet jedoch Chromgerbung. Die Gesundheitsverträglichkeit von Lederprodukten im Sinne der Schadstoff-Freiheit bescheinigt wissenschaftlich belegt das ECARF-Siegel. Die Europäische Stiftung für Allergieforschung mit Sitz am Berliner Uniklinikum Charité zeichnet damit Produkte aus, die allergikerfreundlich sind.