Mikroplastik:
Steinzeit - Bronzezeit - Eisenzeit - Kunststoffzeit
Klein aber bedrohlich
Kleinste Kunststoff-Teilchen, genauer gesagt solche, die kleiner als fünf Millimeter messen, werden als Mikroplastik bezeichnet. Es spielt dabei keine Rolle, um welche Art von Kunststoff es sich handelt. Mikroplastik gelangt auf vielen Wegen in unsere Grund- und Oberflächengewässer. Es bedroht viele Lebewesen, in den Weltmeeren sind inzwischen über 650 Arten konkret betroffen [1]. Dass sich Mikroplastik im Meer anreichert, ist bereits seit den 1970er Jahren bekannt. Wegen seiner geringen Größe fand es lange keine Beachtung im Umweltschutz. Ausführlich erforscht wird die Bedrohung erst seit ca. zehn Jahren.
Bei Primärem Mikroplastik handelt es sich um Kunststoffe, die bereits als kleinste Teilchen ins Wasser gelangen. Beispielsweise Basis-Pellets als Grundstoff für die Plastikproduktion oder Granulate, die für Kosmetika und Hygieneprodukte eingesetzt werden.
Eine Plastiktüte am Strand stört zwar das ästhetische Empfinden, ist zunächst aber keine Gefährdung für die Umwelt, sagt Mikrobiologin Dr. Sonja Oberbeckmann vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), denn ein fertiges Plastikprodukt an sich ist nicht toxisch [2]. Potentielle Schadstoffe sind in der Regel fest im Kunststoff gebunden. Erst wenn Kunststoffe durch Einwirkung von UV-Strahlung, mechanischem Abrieb und anderen Einflüsse in immer kleinere Partikel zerfallen, werden sie zur Gefahr. Sie können dann von Tieren mit der Nahrung aufgenommen werden. Kleinste Kunststoffteilchen, die ursprünglich als größerer Abfall in die Umwelt gelangt sind, nennt man Sekundäres Mikroplastik [3].
Wo genau kommt es her
Primäres Mikroplastik wird für verschiedenste Produktgruppen eingesetzt. Beispielsweise werden in Kosmetika laut einer Studie des Umweltbundesamtes (UBA) in Deutschland pro Jahr rund 500 Tonnen Mikropartikel [1] aus Polyethylen verwendet, dem weltweit am häufigsten verwendeten Kunststoff, für Pflegeprodukte. Über den Abfluss gelangen sie dann beim Benutzen von Zahnpasta, Duschgel, Peeling, Shampoo etc. ins Abwasser. Mikroplastik aus Kosmetika macht zwar nur einen vergleichsweise geringen Teil dieser Umweltverschmutzung aus, gehört aber zu den völlig unnötigen Einträgen, da es gut durch viele natürliche Rohstoffe ersetzbar wäre. Rund 200 Tonnen Mikroplastik werden in der deutschen Industrie für Wasch‑, Reinigungs‑, und Strahlmittel verwendet und ganze 100.000 Tonnen fließen als mikronisierte Kunststoffwachse in technische Anwendungen [1].
Den weitaus bedeutenderen Teil der Verschmutzung im Meer verursacht aber das sekundäre Mikroplastik. Rund sechs bis zehn Prozent der weltweiten Kunststoffproduktion landen laut der UBA-Studie letztendlich in den Weltmeeren. Anders ausgedrückt sind das jedes Jahr bis zu 30 Millionen Tonnen Kunststoffe weltweit – alleine 3,4 bis 5,7 Millionen Tonnen pro Jahr in Europa. Wie viel Mikroplastik durch die Fragmentierung von Kunststoffabfällen insgesamt in die Gewässer gelangt, ist nicht genau bekannt.nden die Umweltaktivisten kleinste Partikel von synthetischen Fasern [4].
Mikroplastik und Textilien
Eine Studie der Fachzeitschrift Environmental Science and Technology aus 2011 zeigt, dass unsere Kleidung einen durchaus relevanten Anteil an der Verschmutzung hat. Alleine in Deutschland gelangen bis zu 400 Tonnen Mikroplastik nur durch Waschabrieb von Kleidungsstücken aus synthetischen Fasern in die Umwelt [1]. Die Quelle der Verunreinigungen sind hauptsächlich Sport‑, Outdoor- oder Funktionskleidung aus Kunstfasern sowie andere synthetischen Gewebe. Kleidung aus Kunststoff-Fleece verliert beim Waschen besonders viele Fusseln. Waschmaschinen verfügen noch nicht über ausreichend gute Filter und auch Kläranlagen hindern die Teilchen nicht daran, in unsere Gewässer und dann weiter in die Weltmeere zu gelangen. Greenpeace Forschungen haben 2015 gezeigt, dass pro Waschgang bis zu 700.000 der kleinen Kunststofffasern ins Abwasser gelangen. Bis in die Arktis hinein fanden die Umweltaktivisten kleinste Partikel von synthetischen Fasern [4].
Die Auswirkungen
Mikroplastik schwimmt entweder je nach Gewicht in verschieden tiefen Meeresschichten oder es sammelt sich an der Wasseroberfläche. Es wird von Fischen, anderen Meerestieren und Vögeln gefressen, die die Fremdkörper für Nahrung halten. Das ist zunächst ein physikalisches Problem für die Tiere, denn das unverdauliche Mikroplastik kann zu Darmverschlüssen und Verletzungen der Schleimhäute führen. Betroffene Tiere verhungern trotz eines vollen Magens und leiden an inneren Verletzungen.
Auch wenn Kunststoff während der Gebrauchsphase eigentlich nicht toxisch ist, diffundieren beim Zerfallen Schadstoffe aus den Verbundstoffen. Es geht um Weichmacher, Stabilisatoren, Flammschutzmittel oder Füllstoffe. Auf Plastik aufgetragene oder eingebrachte Farbstoffe enthalten häufig Schwermetalle. In den Verdauungsorganen werden diese Schadstoffe wieder freigesetzt und können als Gifte den Organismus der Tiere beeinflussen [3].
Über die Nahrungskette gelangen die Kunststoffe mit den darin enthaltenen Giften auch auf unsere Teller. Das ist unvermeidbar, da es wohl an keinem Ort der Welt wirklich Kunststoff freies Wasser zu geben scheint, wie Gunnar Gerdts vom Institut Alfred Wegener, in einem Interview mit ARTE sagt [5]. Mikroplastik findet sich in Fischen und Muscheln, aber auch in Honig oder Milch.
Plastik ist sehr langlebig. Es zersetzt sich weitaus langsamer, als es nötig wäre, um die Menge zu kompensieren, die wir jährlich hinzufügen. Mikroplastik sammelt sich immer weiter an, nicht nur in den Flüssen der Industrienationen, wie Donau oder Rhein, sondern auch das Polar-Eis ist inzwischen plastikverseucht. Die entstandenen Plastikteppiche sind riesig, alleine im Nordpazifik ist er so groß wie Zentraleuropa [6].
Prävention und Aktion – es ist Zeit zu handeln
Wie bei allen Nachhaltigkeitsproblemen können Industrie, Handel, Politik, Organisationen und Verbraucher nur gemeinsam etwas erreichen.
Die Industrie hat gleich mehrere Aufgaben. Umweltorganisationen wie Greenpeace, Nabu und Plasticontrol fordern beispielsweise bessere Filter für Waschmaschinen und Klärwerke, die Mikroplastik aus dem Wasser heraus filtern können. Aussagekräftige Waschtests für synthetische Kleidung wären ebenfalls sinnvoll. Greenpeace hat die Kosmetikindustrie ins Visier genommen und versucht die Hersteller durch Kampagnen dazu zu bewegen, auf Mikroplastik zu verzichten.
Nicht nur Prävention ist gefragt, sondern auch Aktion. Der Schaden, der bereits angerichtet wurde, muss behoben werden. Die Meere müssen von Plastikmüll und Mikroplastik gereinigt werden. Initiativen wie The Ocean Cleanup Foundation entwickeln bereits Technologien, mit denen die Weltmeere gereinigt werden können [7] und der Niederländer Boyan Slat hat einen Filter entwickelt, mit dem man die Ozeane von Plastikmüll reinigen kann [8].
Die Politik muss einen gesetzlichen Rahmen für die Herstellung von Schadstoff freien Kunststoffen schaffen. Es müssen Gelder für Forschung bereit gestellt werden, um einerseits zu ermitteln, wie gravierend die Mikroplastikbedrohung derzeit ist, wo die Ursachen liegen und wie mögliche Lösungswege aussehen könnten. Auch die Entwicklung von Substituten und technischen Hilfsmitteln, wie Filter muss durch die Regierung unterstützt werden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat bereits einen Aktionsplan mit dem Titel “Plastik in der Umwelt – Quellen, Senken, Lösungsansätze” erstellt [9].
Die nachhaltige Textil- und Lederwirtschaft ist natürlich geradezu verpflichtet, etwas tun. Besonders der Handel kann darauf achten, hauptsächlich mit nachhaltigen Naturfasern den Haupt-Umsatz zu machen. Schadstofffrei und biologisch abbaubar werden sie nicht zur Belastung für die Umwelt, wenn mit dem Waschwasser kleinste Partikel ins Abwasser gelangen. Textilien, die mit „NATURTEXTIL IVN Zertifiziert BEST“ ausgezeichnet sind, bestehen aus 100% Naturfasern, die nur eingeschränkt zugelassenen synthetischen Inputs sind schadstofffrei. Produkte, die „NATURLEDER IVN zertifiziert“ sind, bestehen selbstverständlich aus Echtleder. Bei ihrer Herstellung sind beispielsweise Kunststoffbeschichtungen ebenso verboten, wie schadstoffhaltige synthetische Färbungen [10].
Was wir als Verbraucher tun können, liegt auf der Hand. Als allererstes sollten wir darauf achten, möglichst wenige Kunststoffprodukte zu kaufen und zu verwenden. Plastiktüten brauchen wir doch eigentlich gar nicht. Es gibt in größeren Städten Läden, in denen man Lebensmittel ohne Verpackung kaufen kann, mit mitgebrachten Dosen und Flaschen. Wer Kosmetikprodukte einkaufen möchte, die ohne Mikroplastik auskommen, erhält Unterstützung von Umweltorganisationen. Greenpeace und der BUND sind nur zwei Beispiele für Herausgeber von Einkaufsratgebern in Sachen „mikroplastikfrei“ [8].
Dass man seine Plastikabfälle richtig entsorgt und sie nicht in die Landschaft oder ins Meer wirft, scheint eigentlich vollkommen klar – und dennoch muss der ganze Plastikmüll im Meer ja irgendwoher kommen. Und für alle diejenigen, die mikroplastikfrei ihre synthetischen Textilien waschen wollen, gibt es nun auch einen Waschbeutel.
- http://www.umweltbundesamt.de
- http://www.netzwerk-bioplastik.de
- https://www.bund.net
- http://plastikmeer.plasticontrol.de
- Gerdts, Institut Alfred Wegener
- http://www.greenpeace.de
- https://www.theoceancleanup.com
- http://www.boyanslat.com
- https://www.bmbf.de/foerderungen/bekanntmachung-1195.html
- www.naturtextil.de
- https://www.greenpeace.de
Bildquellen: Lydia Wiesnet/IVN, Axel Hess