Mikroplastik:
Steinzeit - Bronzezeit - Eisenzeit - Kunststoffzeit

Mikroplastik
Mikro­plastik und der Zusam­men­hang zwischen der Textil­in­dus­trie und dem Ersti­cken der Meere.
Kunst­stoffe sind in unserer Welt allge­gen­wärtig. Wir kennen sie z.B. als Verpa­ckung, Kleidung, Schuhe oder Boden­be­läge. Unsichtbar stecken sie in Lacken, Klebstoffen, Kosmetik und sogar in Lebens­mit­teln. Sie ersetzen oft teurere natür­liche Rohstoffe und haben den Vorteil, dass sie formbar, elastisch, bruch­fest, tempe­ra­tur­un­emp­find­lich und beständig sind. Die Bestän­dig­keit von Plastik ist aber Segen und Fluch zugleich. Kunst­stoff ist nicht abbaubar und belastet die Umwelt vor allem dann, wenn er als Müll nicht fachge­recht entsorgt wird. Das betrifft auch die Textil- und Leder­in­dus­trie, denn ein Gutteil an Polyester, Polyacryl, Polyvinyl und Co. wird für die Modeindus­trie verbraucht. Jetzt ist Plastik zu einem massiven Nachhal­tig­keits­pro­blem geworden – auf dem Land und vor allem im Meer.

Klein aber bedrohlich

Kleinste Kunst­stoff-Teilchen, genauer gesagt solche, die kleiner als fünf Milli­meter messen, werden als Mikro­plastik bezeichnet. Es spielt dabei keine Rolle, um welche Art von Kunst­stoff es sich handelt. Mikro­plastik gelangt auf vielen Wegen in unsere Grund- und Oberflä­chen­ge­wässer. Es bedroht viele Lebewesen, in den Weltmeeren sind inzwi­schen über 650 Arten konkret betroffen [1]. Dass sich Mikro­plastik im Meer anrei­chert, ist bereits seit den 1970er Jahren bekannt. Wegen seiner geringen Größe fand es lange keine Beach­tung im Umwelt­schutz. Ausführ­lich erforscht wird die Bedro­hung erst seit ca. zehn Jahren.

Bei Primärem Mikro­plastik handelt es sich um Kunst­stoffe, die bereits als kleinste Teilchen ins Wasser gelangen. Beispiels­weise Basis-Pellets als Grund­stoff für die Plastik­pro­duk­tion oder Granu­late, die für Kosme­tika und Hygie­ne­pro­dukte einge­setzt werden.

Eine Plastik­tüte am Strand stört zwar das ästhe­ti­sche Empfinden, ist zunächst aber keine Gefähr­dung für die Umwelt, sagt  Mikro­bio­login Dr. Sonja Oberbeck­mann vom Leibniz-Institut für Ostsee­for­schung Warne­münde (IOW), denn ein fertiges Plastik­pro­dukt an sich ist nicht toxisch [2].  Poten­ti­elle Schad­stoffe sind in der Regel fest im Kunst­stoff gebunden. Erst wenn Kunst­stoffe durch Einwir­kung von UV-Strah­lung, mecha­ni­schem Abrieb und anderen Einflüsse in immer kleinere Partikel zerfallen, werden sie  zur Gefahr. Sie können dann von Tieren mit der Nahrung aufge­nommen werden. Kleinste Kunst­stoff­teil­chen, die ursprüng­lich als größerer Abfall in die Umwelt gelangt sind, nennt man Sekun­däres Mikro­plastik [3].

 

Wo genau kommt es her

Primäres Mikro­plastik wird für verschie­denste Produkt­gruppen einge­setzt. Beispiels­weise werden in Kosme­tika laut einer Studie des Umwelt­bun­des­amtes (UBA) in Deutsch­land pro Jahr rund 500 Tonnen Mikro­par­tikel [1] aus Polyethylen verwendet, dem weltweit am häufigsten verwen­deten Kunst­stoff, für Pflege­pro­dukte. Über den Abfluss gelangen sie dann beim Benutzen von Zahnpasta, Duschgel, Peeling, Shampoo etc. ins Abwasser. Mikro­plastik aus Kosme­tika macht zwar nur einen vergleichs­weise geringen Teil dieser Umwelt­ver­schmut­zung aus, gehört aber zu den völlig unnötigen Einträgen, da es gut durch viele natür­liche Rohstoffe ersetzbar wäre. Rund 200 Tonnen Mikro­plastik werden in der deutschen Indus­trie für Wasch‑, Reinigungs‑, und Strahl­mittel verwendet und ganze 100.000 Tonnen fließen als mikro­ni­sierte Kunst­stoff­wachse in techni­sche Anwen­dungen [1].

Den weitaus bedeu­ten­deren Teil der Verschmut­zung im Meer verur­sacht aber das sekun­däre Mikro­plastik.  Rund sechs bis zehn Prozent der weltweiten Kunst­stoff­pro­duk­tion landen laut der UBA-Studie letzt­end­lich in den Weltmeeren. Anders ausge­drückt sind das jedes Jahr bis zu 30 Millionen Tonnen Kunst­stoffe weltweit – alleine 3,4 bis 5,7 Millionen Tonnen pro Jahr in Europa. Wie viel Mikro­plastik durch die Fragmen­tie­rung von Kunst­stoff­ab­fällen insge­samt in die Gewässer gelangt, ist nicht genau bekannt.nden die Umwelt­ak­ti­visten kleinste Partikel von synthe­ti­schen Fasern [4].

Mikro­plastik und Textilien

Eine Studie der Fachzeit­schrift Environ­mental Science and Techno­logy aus 2011 zeigt, dass  unsere Kleidung einen durchaus relevanten Anteil an der Verschmut­zung hat.  Alleine in Deutsch­land gelangen bis zu 400 Tonnen Mikro­plastik nur durch Wasch­ab­rieb von Kleidungs­stü­cken aus synthe­ti­schen Fasern in die Umwelt [1].  Die Quelle der Verun­rei­ni­gungen sind haupt­säch­lich Sport‑, Outdoor- oder Funkti­ons­klei­dung aus Kunst­fa­sern sowie andere synthe­ti­schen Gewebe. Kleidung aus Kunst­stoff-Fleece verliert beim Waschen beson­ders viele Fusseln. Wasch­ma­schinen verfügen noch nicht über ausrei­chend gute Filter und auch Kläran­lagen hindern die Teilchen nicht daran, in unsere Gewässer und dann weiter in die Weltmeere zu gelangen. Green­peace Forschungen haben 2015 gezeigt, dass pro Wasch­gang bis zu 700.000 der kleinen Kunst­stoff­fa­sern ins Abwasser gelangen. Bis in die Arktis hinein fanden die Umwelt­ak­ti­visten kleinste Partikel von synthe­ti­schen Fasern [4].

Mikroplastik

Die Auswir­kungen

Mikro­plastik schwimmt entweder je nach Gewicht in verschieden tiefen Meeres­schichten oder es sammelt sich an der Wasser­ober­fläche. Es wird von Fischen, anderen Meeres­tieren und Vögeln gefressen, die die Fremd­körper für Nahrung halten. Das ist zunächst ein physi­ka­li­sches Problem für die Tiere, denn das unver­dau­liche Mikro­plastik kann zu Darmver­schlüssen und Verlet­zungen der Schleim­häute führen. Betrof­fene Tiere verhun­gern trotz eines vollen Magens und leiden an inneren Verletzungen.

Auch wenn Kunst­stoff während der Gebrauchs­phase eigent­lich nicht toxisch ist, diffun­dieren beim Zerfallen Schad­stoffe aus den Verbund­stoffen. Es geht um Weich­ma­cher, Stabi­li­sa­toren, Flamm­schutz­mittel oder Füllstoffe. Auf Plastik aufge­tra­gene oder einge­brachte Farbstoffe enthalten häufig Schwer­me­talle. In den Verdau­ungs­or­ganen werden diese Schad­stoffe wieder freige­setzt und können als Gifte den Organismus der Tiere beein­flussen [3].

Über die Nahrungs­kette gelangen die Kunst­stoffe mit den darin enthal­tenen Giften auch auf unsere Teller. Das ist unver­meidbar, da es wohl an keinem Ort der Welt wirklich Kunst­stoff freies Wasser zu geben scheint, wie Gunnar Gerdts vom Institut Alfred Wegener, in einem Inter­view mit ARTE sagt [5]. Mikro­plastik findet sich in Fischen und Muscheln, aber auch in Honig oder Milch.

Plastik ist sehr langlebig. Es zersetzt sich weitaus langsamer, als es nötig wäre, um die Menge zu kompen­sieren, die wir jährlich  hinzu­fügen. Mikro­plastik sammelt sich immer weiter an, nicht nur in den Flüssen der Indus­trie­na­tionen, wie Donau oder Rhein, sondern auch das Polar-Eis ist inzwi­schen plastik­ver­seucht. Die entstan­denen Plastik­tep­piche sind riesig, alleine im Nordpa­zifik ist er so groß wie Zentral­eu­ropa [6].

Präven­tion und Aktion – es ist Zeit zu handeln

Wie bei allen Nachhal­tig­keits­pro­blemen können Indus­trie, Handel, Politik, Organi­sa­tionen und Verbrau­cher nur  gemeinsam etwas erreichen.

Die Indus­trie hat gleich mehrere Aufgaben. Umwelt­or­ga­ni­sa­tionen wie GreenpeaceNabu und Plasti­con­trol fordern  beispiels­weise bessere Filter für Wasch­ma­schinen und Klärwerke, die Mikro­plastik aus dem Wasser heraus filtern können. Aussa­ge­kräf­tige Wasch­tests für synthe­ti­sche Kleidung wären ebenfalls sinnvoll. Green­peace hat die Kosme­tik­in­dus­trie ins Visier genommen und versucht die Hersteller durch Kampa­gnen dazu zu bewegen, auf Mikro­plastik zu verzichten.

Nicht nur Präven­tion ist gefragt, sondern auch Aktion. Der Schaden, der bereits angerichtet wurde, muss behoben werden. Die Meere müssen von Plastik­müll und Mikro­plastik gerei­nigt werden. Initia­tiven wie The Ocean Cleanup Founda­tion entwi­ckeln bereits Techno­lo­gien, mit denen die Weltmeere gerei­nigt werden können [7] und der Nieder­länder Boyan Slat hat einen Filter entwi­ckelt, mit dem man die Ozeane von Plastik­müll reinigen kann [8].

Die Politik muss einen gesetz­li­chen Rahmen für die Herstel­lung von Schad­stoff freien Kunst­stoffen schaffen. Es müssen Gelder für Forschung bereit gestellt werden, um einer­seits zu ermit­teln, wie gravie­rend die Mikro­plas­tik­be­dro­hung derzeit ist, wo die Ursachen liegen und wie mögliche Lösungs­wege aussehen könnten. Auch die Entwick­lung von Substi­tuten und techni­schen Hilfs­mit­teln, wie Filter muss durch die Regie­rung unter­stützt werden. Das Bundes­mi­nis­te­rium für Bildung und Forschung hat bereits einen Aktions­plan mit dem Titel “Plastik in der Umwelt – Quellen, Senken, Lösungs­an­sätze” erstellt [9].

Die nachhal­tige Textil- und Leder­wirt­schaft ist natür­lich geradezu verpflichtet, etwas tun. Beson­ders der Handel kann darauf achten, haupt­säch­lich mit nachhal­tigen Natur­fa­sern den Haupt-Umsatz zu machen.  Schad­stoff­frei und biolo­gisch abbaubar werden sie nicht zur Belas­tung für die Umwelt, wenn mit dem Wasch­wasser kleinste Partikel ins Abwasser gelangen. Texti­lien, die mit „NATUR­TEXTIL IVN Zerti­fi­ziert BEST“ ausge­zeichnet sind, bestehen aus 100% Natur­fa­sern, die  nur einge­schränkt  zugelas­senen synthe­ti­schen Inputs sind schad­stoff­frei. Produkte, die „NATUR­LEDER IVN zerti­fi­ziert“ sind, bestehen selbst­ver­ständ­lich aus Echtleder. Bei ihrer Herstel­lung sind beispiels­weise Kunst­stoff­be­schich­tungen ebenso verboten, wie schad­stoff­hal­tige synthe­ti­sche Färbungen [10].

Was wir als Verbrau­cher tun können, liegt auf der Hand. Als aller­erstes sollten wir darauf achten, möglichst wenige Kunst­stoff­pro­dukte zu kaufen und zu verwenden. Plastik­tüten brauchen wir doch eigent­lich gar nicht. Es gibt in größeren Städten Läden, in denen man Lebens­mittel ohne  Verpa­ckung kaufen kann, mit mitge­brachten Dosen und Flaschen. Wer Kosme­tik­pro­dukte einkaufen möchte, die ohne Mikro­plastik auskommen, erhält Unter­stüt­zung von Umwelt­or­ga­ni­sa­tionen. Green­peace und der BUND sind nur zwei Beispiele für Heraus­geber von Einkaufs­rat­ge­bern in Sachen „mikro­plas­tik­frei“ [8].
Dass man seine Plastik­ab­fälle richtig entsorgt und sie nicht in die Landschaft oder ins Meer wirft, scheint eigent­lich vollkommen klar – und dennoch muss der ganze Plastik­müll im Meer ja irgend­woher kommen. Und für alle dieje­nigen, die mikro­plas­tik­frei ihre synthe­ti­schen Texti­lien waschen wollen, gibt es nun auch einen Wasch­beutel.