Ecofair zertifizierte Kleidung bei Discountern - Fluch oder Segen?

Frau zeigt bunte Papiertüten

Berlin, 25.06.2018

Immer häufiger werden mit Textil-Siegeln gelabelte Kleidungs­stücke auf den Aktions­flä­chen von Aldi, Lidl & Co. angeboten. Wie ist das Nachhal­tig­keits-Engage­ment zu bewerten? Mit dieser Frage­stel­lung hat sich der Inter­na­tio­nale Verband der Natur­tex­til­wirt­schaft IVN in anhän­gendem State­ment ausein­an­der­ge­setzt. Soviel vorab: Die Bewer­tung fällt durchaus positiv aus. Dennoch gibt es weiterhin jede Menge Argumente, warum sich der Kauf ecofairer Marken­mode bei den Spezia­listen aus dem Fachhandel statt beim Discounter lohnt.

GOTS beim Discounter – Kann das sein?

Immer häufiger werden mit Textil-Siegeln gelabelte Kleidungs­stücke auf den Aktions­flä­chen von Aldi, Lidl & Co. angeboten. Die Ware erfüllt dabei in der Regel durchaus anspruchs­volle Standards, zum Beispiel die des GOTS. Dennoch wecken die günstigen Preise, das wissen die Akteure, bei kriti­schen Verbrau­chern (berech­tigte) Skepsis. Die gelabelten Texti­lien sind zwar meistens den zugrunde liegenden Standards gemäß produ­ziert und korrekt überprüft und zerti­fi­ziert, in Qualität und Verfüg­bar­keit aber eben Discounter-Ware.

Schritte in die richtige Richtung

Ecofaire Mode sollte zur Selbst­ver­ständ­lich­keit werden, das ist seit jeher Antrieb des IVN und seiner Mitglieder. Vor diesem Hinter­grund ist jedes zerti­fi­zierte Kleidungs­stück, das ein konven­tio­nell produ­ziertes Pendant ersetzt, ein positiver Schritt. Angesichts ihres Waren­vo­lu­mens verfügen Discounter über große Hebel, Produk­ti­ons­struk­turen zu verän­dern und mit ihrer Nachfrage Entwick­lungen in die eine oder andere Richtung zu forcieren. Mehrere der großen deutschen Protago­nisten haben u.a. das sog. „Detox Commit­ment“ unter­zeichnet, womit sie sich verpflichten, bis 2020 auf den Einsatz bestimmter schäd­li­cher Chemi­ka­lien in ihrer Textil­pro­duk­tion zu verzichten. Green­peace konsta­tierte unlängst, die Firmen seien auf einem guten Weg. Noch vor wenigen Jahren fiel das Urteil völlig anders aus. Es ist eine erfreu­liche Nachricht, dass sich in Unter­nehmen immer flächen­de­ckender die Überzeu­gung verbreitet, nachhal­tiger agieren zu müssen, um wettbe­werbs­fähig zu bleiben. 

Billig­ware: Vorder­grün­dige Nachhaltigkeit

Mit dem Engage­ment rücken ecofaire Produkte zudem auch bei Discounter-Kunden ins Blick­feld. Hier kann sich beinahe jeder zerti­fi­zierte Kleidung leisten, sie bleibt kein Privileg für Besser­ver­diener. Was den Kunden aber leider auch signa­li­siert wird: Ecofair kann billig sein. Das aber ist genau das falsche Signal. Nachhal­tige Mode ist in der Herstel­lung mit höheren Kosten verbunden, weil sie eben nicht zu Lasten der mit ihr beschäf­tigten Menschen und der Umwelt geht. Diese Wertig­keit vermit­teln die Discounter den Kunden an ihren Aktions- und Wühlti­schen, an denen quasi im Vorbei­gehen zugegriffen wird, leider nicht. Auch die von hoher Markt­macht geprägte Einkaufs- und Preis­po­litik bleiben proble­ma­tisch. Die großen Ketten können aufgrund ihrer Order­mengen günstigste Preise bei Produ­zenten verhan­deln. Sie können problemlos bestimmte Waren quersub­ven­tio­nieren, Margen klein halten und dennoch Geld verdienen. 

 

Beratung, Atmosphäre und Herz – das bietet der Facheinzelhandel

Klar ist auch: Discount-Ware bleibt Massen­ware. Preis- und Quali­täts- bezie­hungs­weise Nachhal­tig­keits­füh­rer­schaft sind nicht gleich­zeitig vereinbar. Es sind und bleiben die oftmals kleinen Marken und Fachhan­dels­un­ter­nehmen, die ecofaire Mode mit der höchsten Konse­quenz leben sowie umsetzen. Sie richten ihr gesamtes Sorti­ment ganzjährig entspre­chend aus, während die Discounter bis dato ledig­lich ab und an mit einzelnen Aktions-Artikeln auf sich aufmerksam machen. Nachhaltig spezia­li­sierte Brands und Concept Stores pflegen zudem persön­liche Geschäfts- und Kunden­be­zie­hungen. Sie stellen perma­nent jedes Detail auf den Prüfstand, wobei sie die Ökobi­lanz des einge­setzten Materials und die Arbeits­be­ding­ungen in den Betrieben ebenso intensiv betrachten wie sie auf möglichst kurze Trans­port­wege achten. Über die Hinter­gründe zum Werde­gang der Kleidung berichten sie kompe­tent und trans­pa­rent. Im Fachhandel werden die beson­deren Produkte überdies emotional präsen­tiert und von einer gehalt­vollen Beratung sowie Wohlfühl-Atmosphäre begleitet, die nicht selten eine Tasse Fairtrade-Kaffee für die Kunden einschließt. Auf diese Weise wird der wahre Wert ecofairer Mode an den Mann und an die Frau gebracht. Ganz nach dem Motto von Designerin Vivienne Westwood: „Buy less, choose well, make it last.“