16. August 2008
Immer wieder berichteten die Medien in letzter Zeit über tierquälerische Methoden im Zuge der Erzeugung von Schafwolle, dem „Mulesing“. Darunter versteht man einen operativen Eingriff bei Lämmern, bei dem die Hautfalten in der Afterregion ohne Betäubung mit einer extra dafür entwickelten scharfen Schere herausgeschnitten werden. Es gibt keine Desinfektion, damit die Wunde verheilen kann, und auch keine Nachuntersuchung oder ‑versorgung.
Grund für diese tierquälerische Maßnahme, bei der die Tiere quasi wie am Fließband brutal „beschnitten“ und schwer traumatisiert werden, ist der Befall der Merinoschafe durch die Schmeißfliege blowfly, die in Australien weit verbreitet ist, nicht jedoch in Europa oder Südafrika, woher ebenfalls ein Großteil der Merinowolle kommt. Das Insekt legt seine Eier bevorzugt in den Hautfalten ab, wo es feucht-warm ist und Kot und Urin einen idealen Nährboden bieten. Die ausgeschlüpften Maden dringen in die Haut und Unterhaut der Tiere ein, infizieren sie und rufen schwere Entzündungen hervor, an denen sie verenden können. Die stark bewollten Merinoschafe sind besonders von blowfly-Befall betroffen, da sie gezielt faltenreich auf maximalen Ertrag hin gezüchtet wurden.
Handel lehnt “Mulesing” ab
Seit den Protesten insbesondere der weltweit aktiven Tierschutzorganisation Peta (People for the Ethical Treatment of Animals) ist einiges in Bewegung geraten. Weil auch der Handel zunehmend nach Mulesing-freier Ware fragt, hat die australische Wollindustrie zugesichert, ab 31. Dezember 2010 auf „Mulesing“ zu verzichten. Für die Übergangszeit und bis andere schmerzfreie Methoden ausgereift sind, wurde beschlossen, die Tiere vor dem Eingriff zu betäuben.
Auch wird bereits das so genannte Clip-Mulesing angewendet. Hierfür wird den Tieren die Hautfalte am After mittels eines Clips so stark abgeklemmt, so dass die Haut abstirbt und abfällt. Diese Methode wird von Tierschützern wie auch vom Handel aber als inakzeptabel bezeichnet, da sie ebenfalls große Schmerzen bei den Merinos erzeugt. Langfristiges Ziel ist die Züchtung von Schafen mit faltenarmer Haut, die Schmeißfliegen keine Nischen bietet. Bis eine solche Schafrasse zur Verfügung steht, werden aber noch zehn Jahre vergehen.
Was können Verbraucher tun?
Der komplette Verzicht von Bekleidung aus Merinowolle ist nach Ansicht des Internationalen Verbandes der Naturtextilindustrie e.V. (IVN) nicht sinnvoll. Er rät dazu, Bekleidung aus Merinoschurwolle zu bevorzugen, die aus kontrolliert biologischer Tierhaltung (kbT) stammt. Sie ist an dem Label „NATURTEXTIL – IVN zertifiziert BEST“ erkennbar, für die 100 Prozent kbT-Wolle vorgeschrieben ist. Ein Anteil von mindestens 70 Prozent kbT-Wolle ist für Bekleidung vorgeschrieben, die nach dem neuen Global Organic Textile Standard (GOTS) erzeugt wird. Die übrigen Fasern können z.B. Baumwolle oder Leinen sein, nicht jedoch Merino aus konventioneller Erzeugung.
Viele Textilanbieter beziehen ihre biologisch oder auch konventionell erzeugte Wolle inzwischen aus Südafrika, aus Südamerika – und hier insbesondere aus Patagonien – oder auch aus europäischer Erzeugung, wo es kein „Mulesing“ gibt. Die australische kbT-Schafwolle, wird von der National Association of Sustainable Agriculture Australia Ltd., kurz NASAA, kontrolliert. Sie verbietet das „Mulesing“ zwar nicht grundsätzlich, es ist aber nur in Ausnahmen gestattet, wenn herkömmliche Maßnahmen wie das Scheren der Afterregion nicht erfolgreich sind.
Nicht zuletzt haben einige Massenanbieter in der jüngeren Vergangenheit erklärt, sie würden auf gemuleste Wolle verzichten oder den Umstieg auf Mulesing-freie Rohware vorantreiben. Dazu zählen der Sportartikelanbieter Adidas, der Anbieter von Businessmode Hugo Boss und das Modehaus C&A.
Engagierte Anbieter geben auf Nachfrage gerne Auskunft, in welchem Land die Wolle erzeugt wurde.